Die Stille am Teich

Ich betrachtete die Stille. Kein Wind kräuselte das Spiegelbild. Irgendetwas stimmte da nicht …

Ich überlegte, was es wohl war. Irgendwie schienen die Farben blasser zu sein und die Geräusche klangen dumpf wie im Bauch eines alten Schiffes. Was war geschehen? Wo war ich? Ich saß zwar wie immer hier im Park auf meiner Bank, aber es war es nicht so wie sonst. Verunsichert guckte ich herum. Ich wollte wissen, ob es den anderen Menschen, die um den kleinen Teich wandern, auch so geht, aber was ich sah, irritierte mich erst recht: Sie gingen alle rückwärts, jedoch fiel das offenbar niemandem außer mir auf. Nur ich saß dumm rum und verstand die Welt nicht mehr.

»Was ist, wenn die Welt plötzlich eckig wäre?«, schoss es mir durch den Kopf, »kann sie sich dann noch drehen, oder schiebt sie sich bloß wie eine Schrankwand von Ecke zu Ecke?«

Misstrauisch starrte ich ein Pärchen an, das wie selbstverständlich rückwärts auf mich zu schlenderte. Dazu hätten sie allerdings vorher schon einmal an mir vorbeigegangen sein müssen. Aber warum kann ich mich daran nicht erinnern?! Ich schaute auf meine Uhr: Stolz und rebellisch drehte der Sekundenzeiger die Runden entgegengesetzt seines üblichen Tuns.

Mir fiel fast die Kinnlade in den Schoß, als sich plötzlich eine junge, verdammt hübsche Frau zu mir auf die Bank setzte und fragte: »Tsgam ud nie sie?«

Wieder blieb mir nichts anderes übrig, als ein blödes Gesicht zu machen. Das hier ging auf keinen Fall mit rechten Dingen zu. Irgendetwas stimmte nicht und ich wusste nicht, was.

Irgendetwas ist ja immer.

Im Visier

Manchmal träume ich einfach vor mich hin. Wie das Leben sein könnte. Wie es sein könnte, wenn ich andere Entscheidungen getroffen hätte. Müßig sind diese Gedanken, dass weiß ich auch, aber nichtsdestotrotz spannend. Doch das tut hier nicht zur Sache.

Zufrieden und entspannt sitze ich auf einer Bank am Meer, futtere Krabbenchips und beobachte eine Möwe. Sie steht schon seit einer viertel Stunde auf einem Strandkorb und tut unauffällig so, als betrachte sie die Badebucht, die tollenden Hunde, die bunten Drachen am Himmel, die flanierenden Menschen. In Wahrheit aber glaube ich, sie stalkt mich und hat meine Position mit ihren Adleraugen bereits ganz nah herangezoomt, um mich auszuspionieren. Bestimmt arbeitet sie bei Möwy CIS und soll meine Ess- und Schlafgewohnheiten, meinen Porno-, Alkohol- und Nikotinkonsum erfassen und dem unterirdischen Hauptquartier melden, wo schließlich alle Informationen über mich zusammengetragen werden. Vielleicht hockt sie auch nicht erst seit heute dort, sondern weiß sogar, was ich letzten Sommer gemacht habe. Oder sie trägt eine winzig kleine Atombombe am Fuß und soll mich um dreiviertel zwölf liquidieren, wann immer das auch sein mag.
Plötzlich tauchen zwei grau gekleidete Tauben-Kollegen von ihr auf, setzen sich genau vor mir auf das Mäuerchen und glotzen mich unverfroren an. Offenbar hat sie Unterstützung eingefordert, weil sie allein mit mir nicht mehr fertig wird. Das ist ja wieder typisch, als würde ich das nicht merken! Ich bin doch nicht blöd, die sind schließlich alle miteinander vernetzt. Man hat ja schon oft gehört, dass sie einem durch die Augen in den Kopf gucken können, sich dann die fremden Gedanken aufschreiben und als Brief direkt zum
Geheimnisministerium bringen, ehe man auch nur annähernd weiß, was gerade geschehen ist. Nein, nicht mit mir, darauf bin ich gut vorbereitet. Geschickt verdecke ich mir mit der Hand das Gesicht und verscheuche sie mit einem kleinen Tritt. Maulend stieben sie davon, erstatten dem Boss auf dem Strandkorb Bericht. Sollen sie doch!
Ich nehme mir einen großen Schluck Bier, spüle damit meine Tabletten herunter und fühle meinen Puls. Puh, noch einmal gut gegangen. Ich dachte schon, ich drehe durch.