Der Winter war nass und trüb, einfach zum Mäuse Melken. Das dachte sich auch Flummi, die Katze, denn wo Mäuse gemolken werden, da kann man auch Mäuse fangen. Und so zog sie los in einer besonders schwarzen Nacht, jenen Ort zu suchen. Sie schlich über die Wiese und den Hof, sie pirschte durch das Gras und über den Kies. Sie jagte eine Nacktschnecke und sprang mit einer Grille um die Wette. Sie fragte das Murmeltier und schaute bei den Hühnern im Stall. Aber nirgends fand sie einen Käsedieb. Es ist zum Mäuse melken, dachte sie, ging ins Haus zurück, legte sich auf die Heizung vors Fenster und schaute hinaus in den dunklen Winter.
Huhn
Das Résumé für alle Frustrierten und Einarmigen, für Neurotiker und Vollpfosten
Oft ist ein Jahreswechsel Zeit für ein Résumé. Was hat mir das vergangene Jahr gebracht? Was habe ich erlebt, was ist ausgeblieben? Was hat sich erfüllt und was nicht?
Dabei ist das alles weitgehend wurscht. Es ist durch, die Gelegenheiten sind verpasst oder verronnen, der Drops ist gelutscht. Einzig die Blechdose im Auto erinnert noch an das zitronig- fruchtige Aroma. Jetzt kullert sie im Kofferraum umher oder klimpert im Handschuhfach bei jedem ostdeutschen Schlagloch. Die Werkstatt berechnet für das komische Klappern 365€ Euro plus Steuern und legt einen schweren Stein in die Dose.
Deshalb habe ich einen 5- Punkte- Plan ausgearbeitet. Die Reihenfolge ist nicht bindend. Nur sollte man sich dran halten.
1. Schmeiß den alten Ballast über Bord! Schmücke den Baum ab! Beziehe die Betten neu. Bringe den Müll raus. Tau den Kühlschrank ab. Mach so Platz für neue Erfahrungen und Pizza.
2. Halte dich an keine Diät, sondern schlemme am Leben. Diäten sind Genussarmut.
3. Beachte die Ignoranten nicht. Höre nicht auf die Stummen, sprich nicht mit den Tauben. Flieg nicht mit den Gänsen. Gackere nicht mit den Hühnern. Sei nur du selbst. Sei dein Freund und dein Vertrauter.
4. Umarme deine Zukunft. Erinnerungen sind schwere Anker, die Träume am Segeln hindern.
5. Nimm dir nichts vor! Lass dich überraschen. Live long and prosper! Jetzt!
Empompie Kolonie
Manchmal fehlt mir der Mut, Dinge zu tun oder zu sagen. Dann schlucke ich sie herunter, um mich später darüber zu ärgern. Manchmal fehlt mir auch die Schlagfertigkeit, mich zu wehren. Dabei möchte ich diesen Gesichtsbratschen allzu gerne die Meinung geigen.
Wenn im Botanischen Garten auf der letzten Bank in der Sonne greise Kukidentlutscher wurzeln und mit dem Fuß Mandalas in den trockenen Boden schaben, möchte ich sie mit dem Taschenspiegel blenden, ihr Plätzchen mit meinem Demo- Transparent Rentenstopp sofort, ich geh auch am Stock beschatten oder auf meinem Handy eine Fliegeralarm- Sirene aufheulen lassen. Die Teakgarnitur gehört dann schneller mir, als einmal Betten machen im Heim dauert.
Dem jabbelnden Kind im Zug hinter mir, das immer gegen meinen Sitz tritt, würde ich einmal den Lolli quer in den klebrigen Schnabel stecken. Ich filme es dann mit dem Handy, während es Die Hühner picken sagen soll. In einigen Jahren stelle ich dann das Video kurz vor Abschluss ihrer postgradualen Weiterbildung zur Fachtierärztin für Geflügel auf allen bekannten Portalen online.
Die Telefontuse von der Marktforschung möchte ich mit unterdrückter Nummer Sonntagnacht um 3.15 Uhr auf ihrem Privatanschluss zurückrufen. Jetzt hätte ich ein paar Minuten Zeit für Ihre Fragen, ich könne nicht schlafen.
Nachbars Hund möchte ich in sein Körbchen scheißen, ohne zu spülen.
Im Supermarkt füllte ich alle Einkaufswagen, die den Gang versperren und offensichtlich darauf warten, dass Herrchen oder Frauchen von der Wurst- oder Käsetheke zurück gedackelt kommen, bis obenhin mit abgepackter Cervelatwurst aus dem Kühlregal.
Mit dem rechten Hinterrad auf dem Bürgersteig Parker würde ich die Felge abmontieren und die Karre auf Ziegeln aufbocken. Für diesen Zweck hätte ich mir extra einen Universalwagenheber und ein Radmutternkreuz zugelegt.
Generell wäre ich nicht zu Hause, wenn irgendein Kleinanzeigeninteressent oder Handwerker zu einer vereinbarten Uhrzeit bei mir vorbeikommen möchte. Die kommen nie oder nie pünktlich. Und wenn doch, werden sich schon wieder melden. Die Telefonnummer, die ich auf meinem Anrufbeantworter hinterlasse, ist vom kleinen Nils.
Und einmal möchte ich mich 100%ig mit einem Verkäufer, der einen Artikel „in gutem Zustand“ inseriert hat, verabreden. Ich würde dann erst kurz vorher anrufen, dass ich mich um eine Stunde verspäte und spät am Abend noch einmal, dass ich es nicht geschafft hätte. In Wirklichkeit fahre ich aber nie los, sondern sitze im Botanischen Garten auf meiner Teakholzbank, schabe mit dem Fuß ein Mandala in den trockenen Boden und summe vor mich hin:
Empompie Kolonie Kolonastik
Empompie Kolonie
Akademi Safari
Akademi Puffpuff!
Zurück in die Zukunft
Fortsetzung von Hautnah (Kapitel 1), Space Invaders (Kapitel 2), Verkorkt (Kapitel 3), Strafzimmer (Kapitel 4), Schnurlos (Kapitel 5), Murmeltier und Sehnsucht (Kapitel 6) und Holzklasse (Kapitel 7)
Entsetzt starrte ich zu Boden, der grade die schönste Frau seit Ornella Muti verschlungen hat. Ich wusste nicht, welchem Impuls ich zuerst nachgeben sollte: Den bärtigen Bass von der offenen Plattform werfen, den Zug aufschaukeln, bis er von den Gleisen kippt, das krakeelende Hühnervieh über mir opfern oder sollte ich selbst so schnell gegen die Fahrtrichtung rennen, in der Hoffnung, dass meine Geschwindigkeit beim Absprung für einen Zeitsprung ungefähr fünf Minuten zurück reichte? Dieser Gedanke schien mir am sinnvollsten. Ich stürzte auf und als gelte es, noch alle sportlichen Vorsätze in den letzten Sekunden des verstreichenden Jahrtausends zu erfüllen, rannte ich los. Die Schwingtüren öffneten sich ehrfurchtsvoll von alleine und gafften mir hinterher. Dann endlich hatte ich den hintersten Wagen erreicht. Die Theorie besagte, dass man mit der ausgestreckten Hand den Horizont berühren und dabei fest an die vergangene Situation denken müsste. Ich war wild entschlossen, diese Chance zu nutzen, als sich ein kleiner Gedanke zäh und dumpf in meinen Kopf bohrte, wo ich denn sei, wenn ich jetzt springen würde. Sicher nicht im Zug! Als habe die letzte Tür diesen Zweifel gehört, blieb sie verschlossen wie ein nordirischer Pub nach 22 Uhr. Ich krachte scheppernd in suizidal anmutender Absicht dagegen. Holz splitterte und Scheiben klirrten, der Druck der Detonation war sogar noch in der Lokomotive zu spüren. Der Zugführer glaubte, ein Waggon sei aus den Schienen gesprungen und leitete eine Vollbremsung ein. Ich wurde dadurch quer durch den ganzen Zug zurück geschleudert. Die Saloontüren flogen mit lautem Getöse auf. Ich überholte das Licht der untergehenden Sonne und saß Sekundenbruchteile später wieder auf meinen Platz. Was war geschehen? Ich war mir nicht sicher und blickte in die Gesichter der anderen Zeitreisenden. Doch keiner nahm Notiz von mir. Nur der Hahn war tot, er hing schlapp im Schleppnetz. Ich schaute auf mein Handy, die Uhrzeit war verschwunden wie mein Ticket zuvor und der Speicher war komplett leer! Ich hatte drei Tage gebraucht, um alle Kontakte nach dem chinesischen Sprachangriff wieder mühselig per Hand einzupflegen! Erst als sich die Rocky Horror Picture Show um mich herum von ihren Plätzen erhob, ihr Gepäck inklusive toten Hahn nahm und ausstieg, bemerkte ich, dass der Zug stand. Ich drückte meinen Kopf an das Fenster, Milano Centrale las ich schräg. Geschäftiges Treiben huschte auf und ab, eine blecherne Lautsprecherdurchsage hallte über die endlosen Gleise. Irritiert klopfte ich mir Scherben und Holzspäne von der Hose, mir taten die Knochen weh.
Fortsetzung der Geschichte hier
Holzklasse
Fortsetzung von Hautnah (Kapitel 1), Space Invaders (Kapitel 2), Verkorkt (Kapitel 3), Strafzimmer (Kapitel 4), Schnurlos (Kapitel 5) und Murmeltier und Sehnsucht (Kapitel 6)
Mit Carlottas Anschrift in der Tasche stand ich in aller Herrgotts Frühe und Mutterseelen alleine auf dem einzigen Gleis unseres kleinen verschlafenen Provinzbahnhofes. Zweimal in der Woche hielt hier quietschend ein völlig überfüllter Schienenschlitten, es war die einzige Verbindung ins drei Stunden entfernte Mailand. Ich blinzelte gegen die aufgehende Sonne. Aus der Ferne konnte ich den Tross schon seit 10 Minuten schnaufen hören, jetzt endlich bog er mühsam gegen die Erdrotation um die letzte langgezogene Kurve. Als er zum Stehen kam, geriet die Welt für einen Moment in eine instabile Lage. Sensoren in Castrop-Rauxel verzeichneten ein Beben von 2,6 auf der nach oben offenen Richter- Skala, ein Kartenhaus stürzte zusammen und Oma Elli plürrte in der Zechensiedlung mit der Steckrübensuppe auf das gestärkte, leinene Tischtuch. Träge tropfte die Brühe auf den Boden, zischend und dampfend erschlug sie dabei eine Mücke, die sich über eine herunter gefallene Scheibe Blutwurst hermachte. Dat Elli wischte sich die Hände in der Kittelschürze ab und fluchte, die verklebten Gesichter an den Scheiben tauten auf. Ich balancierte mit meinen Rucksack über morsche Bretter und fand im verkokten Waggon direkt hinter der Tenderlokomotive einen Platz. Im Gepäcknetz flatterten schon ein paar Hühner, und so stopfte ich mein Hab und Gut unter die Holzbank. Langsam wie eine Wanderdüne ruckte unser schwarzer Koloss wieder an. Nach gut 20 Minuten hatte der letzte Pritschenanhänger die Bahnhofsgleise verlassen, die Pest hat sich im Mittelalter schneller verbreitet. Die Landschaft wechselte sich ab wie ostwestfälisches Wetter: Mal humpelten wir vorbei an sanft aufgewühlten Hügeln. Da Vinci wäre aus Wellen förmigen Malbewegungen gar nicht mehr herausgekommen und hätte dabei gleichzeitig die kleine Nachtmusik dirigieren können, wenn es sie schon gegeben hätte. Dann wieder balancierten wir schmale Kletterpfade empor, schroffe und zugleich abenteuerliche Felswände beugten sich zu uns herab. Einmal preschten wir über eine selbst tragende Holzbrückenkonstruktion. Mutig wie ein Bungeespringer und unbeirrbar wie Lothar Matthäus, der immer glaubte, irgendwann einmal ein deutsches Traineramt übernehmen zu können, schoben wir uns auf das fragile Mikadogerüst. Es ächzte wie ein alter Truhendeckel und bog sich in der Mitte durch, aber es hielt. Leonardo schaute stolz aus dem Fenster. Über mir gackerte es erleichtert und Federn stoben hektisch durch die Luft, als schüttele Frau Holle die Betten auf. Und schließlich durchquerten wir den letzten Finstertunnel vor der weiten Ebene Norditaliens. Die bleichen Köpfe meiner Mitreisenden begannen wieder zu schnattern. Ich hörte ihnen nur mit einem Ohr zu, mit dem anderen lauschte ich Carlottas Stimme in meinem Kopf. Ihr Lachen hatte schon beim ersten Mal ein zartes Crescendo in mir ausgelöst, begleitet von André Rieu auf seiner Quietschfiedel. Ich schloss die Augen. Mein Kopf wippte im Takt, als mich eine sonore Bassstimme ansprach und nach meinem Biglietto verlangte. Subito verstummte die Stadivari, es war Mucksmäuschen still im Konzertsaal. Übermüdete und verschwitzte Statisten drehten sich zu mir um, als er die Aufforderung wiederholte. Ich schreckte hoch, schaute in das Antlitz des Dunklen Lord und kramte hektisch in den Untiefen meines Rucksackes nach meiner Fahrkarte. Wie ein Murmeltier grub ich mich tiefer und tiefer hinein, vorbei an Tramezzini in aufgeweichten Brottüten, Ciabatta mit Marmelade, hart gekochten Eiern und einer undichten Thermoskanne. Endlich pflückte ich erleichtert eine aufgeweichte grüne Pappe hervor und reichte sie ihm Axel zuckend. Er nickte stumm und ratschte eine dicke Ecke davon ab. Ich wollte sie eben wieder in die Tasche packen, als ich feststellte, dass er Carlottas halbe Anschrift, die ich mir auf der Karte notiert hatte, abgerissen hatte! Außer Via Dora und einer fragmentarischen Telefonnummer war nichts mehr zu lesen! Entgeistert schaute ich ihm hinterher, meine Augen scannten hektisch den ganzen Subraum um mich herum ab. Ich spulte die Szene zurück, die Stimmen klangen dabei wie der Singsang verliebter Buckelwale. Dann hatte ich den Moment gefunden, stoppte und spielte ihn wieder ab: Ich gab ihm das Ticket in die Hand, er riss davon einen Batzen ab und … ließ das Stückchen einfach fallen. „Grazie“, hörte ich mich sagen. Wie Herbstlaub sah ich es noch zu Boden tänzeln. Ich starrte auf das löchrige Holzpaneel unter meinen Füßen. Pechschwarz eilten alte Bahnschwellen darunter zurück. Endlich entdeckte ich das goldene Los, den Bundesschatzbrief, das letzte fehlende Sammelbild, die Schatzkarte, den Lottoschein mit dem höchsten Jackpot seit Jack Sparrow. Ich bückte mich und behutsam streckte ich meine Hand hervor, als Oma Elli eine saubere Tischdecke auflegte und ein kräftiger Zug durch den Zug wehte. Mein Leben rutschte durch einen finsteren Spalt und flatterte davon wie eine aufgescheuchte Möwe.
Hier geht es dann weiter.
Potpourri
Das wollte ich schon länger mal machen: Eine Geschichte schreiben, in der alle meine Schlagwörter („Tag-Links“, siehe am rechten Rand) mindestens einmal vorkommen. Ich probiere es mal alphabetisch!
Es ist Heiligabend. Soeben öffne ich das letzte Törchen vom Adventskalender. Was ist das denn? Ich traue meinen Augen nicht: Ein kleines Schokoladenauto. Und wer steigt grade aus? Der Bofrostmann! Wo will der denn so spät hin? Will der etwa noch Tiefkühl- Brötchen ausliefern? Wo denn? Hier in dieser unwirtlichen Gegend, mitten am Deich? Hier gehen die Eier zu Ende, die Frauen spielen Fußball und Haare wachsen am Horizont! Was in aller Welt hat der hier verloren? Leise schleiche ich ihm nach. Das gespenstische Licht des Mondes verzerrt die Schatten der Hühner im Garten von Kapitän Ahab zu einer Karawane Fleisch fressender Saurier. Plötzlich bleibt der Bofrostmann stehen und blickt sich misstrauisch um. Ich zucke zusammen. Hat er mich gesehen? Dämonisch sieht er aus, als würde er Kinder fressen. Ich fürchte um mein Leben, als er einige Schritte auf mein Versteck zugeht. Sein eisiger Atem stirbt in der klirrenden Kälte, kaum dass er sein Maul verlässt. „Ich bin ein Mann“ , denke ich, „zum Sterben ist jetzt keine Zeit!“ und laufe weg. Meine Schritte hallen in der Dunkelheit wie die Schläge des Belzebubs zum Altweiberfasching auf dem glühenden Amboss. Atemlos renne ich zum Meer. „Heiliges Murmeltier, steh mir bei“, schreie ich. Der graue Riese schmeißt unbarmherzig seine kalten Arme nach mir und spült Muscheln um meine Füße. Unsichtbare Möwen schreien durch die Nacht. Meine Nase saugt den salzigen Odem des Todes ein, in den Ohren knistert es nach zertretenem Playmobil. Das Radio in meinem Kopf spielt Julis „Woanders zu Hause“. Dann ist plötzlich Ruhe. Kognitiver Stromausfall. Unendliche Stille. Das Meer schweigt, als habe Neptun Mittagsschlaf verordnet und drohe jedem, der dieses Gesetz missachtet, mit einer Einzelstunde Eurythmie. Mit meinen Zehen presse ich den Sand in meinen Schuhen immer wieder zusammen, bis sich ein kleiner Damm darin bildet. Die Welt um mich herum ist stumm, wie in der Schule beim Englisch- Unterricht, mucksmäuschen still. Selbst die Segel eines trüben, vorüberziehenden Seelenverkäufers halten sich an das unausgesprochene Redeverbot. Ich fröstle.
Mit lautem Getöse poltert die Brandung Ruptus artig wieder los, glitschig wie Seife prescht sie mir ihre klamme Gischt ins Antlitz. Ich muss spucken und kneife die Augen zusammen. Als ich sie wieder öffne, brennt die Sonne, obwohl es eben noch stockfinster war. Bis zu den Knien eingegraben stehe ich am Strand, es ist heller Tag. Hinter mir entdecke ich eine schimmernde Tür. Das Wasser frisst gierig ihren Rahmen und drückt an die Buhnen.
„Das Leben ist wie die Flut an Weihnachten“ , denke ich, „was die Welle nicht reißt, das reißt der Wichtel!“
In der Tür drehe ich mich noch einmal um und blicke ein letztes Mal zum Ende der Welt. Der Wind bläst mir ins Gesicht, das hält die Windschutzscheibe nicht.
Irgendwann ist Feierabend
Irgendwann platzt mir die Wutschnur. Dann ist einfach genug. Dann muss ich meinem Ärger Luft machen. Wenn ich nicht mehr an mir halten kann, muss es raus. So spielt das Leben. Der Frust hat sich zuvor Wochen lang seinen Weg vorbei an Galle, Magen und Leber gesucht und dabei eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Letzte Woche mussten mir in einer Notoperation alle inneren Organe entfernt werden. Jetzt ist wieder Sonntag und ich stehe mit Braunüle und dem Bofrostmann im Fanblock. Der Schiedsrichter ist wie immer eine schwarze Sau, kann Abseits nicht von Abszess unterscheiden. Der hat uns nicht erst einmal verpfiffen. Wenn ich diesen plattfüßigen Schwanenprinz schon sehe, kriege ich einen optischen Tinnitus. Das fühlt sich an wie eine Pfeife im Auge. Er ist ein Schwippschwager von Ante Šapina und Sandkastenfreund von Robert Hoyzer. Auf dem Schulhof blieb er bei der Mannschaftswahl immer als einziger übrig und musste deshalb den siffigen Tennisball nach jedem Tor aus den Dornenbüschen pflücken. Ausgerechnet diesen Hobbyarchäologen haben die grauen Herren vom DFB zum Schiri gemacht. Die wären besser auch im Sandkasten geblieben. Da hätte es wenigstens was aufs Maul gegeben.
Als der Schieber wieder einmal einen Vorteil für uns in aussichtsreicher Entfernung zum Tor abpfeift, brülle ich ihm meine ganze Wut entgegen, bis ich mein Stottertrauma überwunden habe: A- A- A- Arschloch! Die Fans in schwarz- weiß- blau nicken mir anerkennend zu und schmeißen Feuerzeuge und Pfandbecher aufs Spielfeld. Ich hebe den Daumen. Mann kennt sich. Viele stehen hier seit ihren Tanzschultagen zusammen. Die meisten waren mit der schnellen Schantall hinterm Vorhang mal auf Tuchfühlung. Ich hatte Pickel und keine Puch Maxi S, sondern ein Klapprad. Arschloch hat sie zu mir gesagt, als ich es trotzdem probiert habe. Ich habe mich dann mit Pommes-Walli getröstet, die hatte ein lahmes Bein, eine Zahnspange und eine Hercules Prima mit Prilblumen. Zu ihrem 15. Geburtstag habe ich ihr ein Yes- Törtchen mit einer roten Kerze geschenkt. Sie war so gerührt, dass sie mich rangelassen hat. Ich bin einmal um den ganzen Block gefahren. Ohne Helm. Die Jungs vor der Atari- Konsole waren neidisch und die Vorstadt- Hühner schauten mir mit offenen Mündern hinterher. Sogar Schantall. Hinterm Holunder habe ich sie dann doch rumgekriegt.
Als das 1:0 für die anderen fällt, sind grade mal fünf Minuten gespielt. Ich gehe mir ein Bier holen. Kurz vor der Halbzeitpause steht es drei Bier. Im Radio stirbt Uli Zwetz, als Hoyzer unseren Kapitän wegen eines harmlosen Tacklings in der Nachspielzeit vom Platz stellt. Mit dem Pausenpfiff bauen Hartz IV- Flüchtlinge im einsetzenden ostwestfälischen Nieselregen Gartenpavillions auf und rollen Monitore auf den Rasen. Hackfressen in dunkelblauen Moderations- Sakkos analysieren das Spiel, zeigen alle Abseits- Tore noch einmal und prophezeien den Abstieg. Der gegnerische Block skandiert passend dazu: Nie wieder zweite Liga! Meine Mannschaft kommt wie verwandelt aus der Kabine, mit noch weniger Moral und verliert den Ball schon beim Anstoß. Die Arena raunt und ächzt wie die Titanic am Unglückstag. Die ging nur schneller unter, das hier dauert schon mein Leben lang.
Als der Ball sich nach einem schnellen Konter aus Abseits verdächtiger Position doch noch in die gegnerischen Maschen senkt, hole mir ein Bier und rufe A- A- A- Arminia!
Ostreise
Ich war ein paar Tage im Osten. Da, wo der Mehlwurm verhungert und der Spatz tot vom Ast plumpst. Da, wo der Regen nach kaltem Kaffee- Ersatz riecht und der Schnee schon grau vom Himmel fällt. Da, wo Aluminiumfolie im Keller zu Geld geprägt wird und Gurken im Schatten der Datsche Oberschenkel groß heranwachsen. Da, wo ich nicht tot übern Zaun hängen möchte.
Da, wo ein Auto klingt wie die Singer- Nähmaschine meiner Mutter, die sie 1954 von dort mitgebracht hat.
Dort, wo ich 1974 von Mandy meinen ersten Kuss bekommen habe, als wir Tante Dörthe in Plau besucht haben. Wo die Schokolade knusperte und die Kola lebte. Wo City mit „Am Fenster“ einen Evergreen für Jahrhunderte geschaffen hat und meine Hand das erste Mal unter eine Bluse wanderte.
Dort, wo die Brötchen heute noch Schrippen heißen, Hühnchen Broiler und Frikadellen Buletten.
Dort ist die Welt noch in Ordnung.
Einfach zu haben
Haha, falsch gedacht! So einfach ist das nicht. Es ist manchmal viel komplizierter, als es aussieht. Zum Beispiel steckt im Mond eine kleine Lampe, die nur nachts angeht, manchmal aber auch durchbrennt. Bei der Sonne ist es fast genau anders herum, aber nur fast. Es ist schwer, das zu verstehen. Es ist leichter, das zu akzeptieren. Ich vermute mal, der Glühfaden in der Sonne ist einfach viel dicker und weniger Belastungsspitzen ausgesetzt, wie sie durchs An- und Ausschalten entstehen. Sie leuchtet ja bekanntermaßen immer, wenn nicht hier, dann genau auf der anderen Seite der Welt. Wenn man genau durch die Mitte der Erde ein langes Loch bohren könnte, könnte man sie jetzt scheinen sehen, obwohl es grade Nacht bist. Ist das nicht fantastisch? Noch einfacher wäre es, wenn die Erde transparent wäre. Die Solaranlagen auf den Dächern in meiner Reihenhaussiedlung könnten Tag und Nacht Strom und heißes Wasser produzieren und sogar noch etwas davon in die öffentlichen Versorgungsnetze speisen. Von der Vergütung dafür könnte ich mir dann Verdunkelungsrollos kaufen und mein Haus klimatisieren lassen. Ich ginge morgens im Hellen zur Arbeit und käme am Abend im Hellen zurück. Die Murmeltiere müssten Sonnenbrillen tragen, das käme der lähmenden Konjunktur zu Gute und die Grünen würden stärkste Partei in Bayern. Ich würde am Strand auch unter den Füßen braun und es gäbe bald Schuhe mit UV- Schutz. Wenn die Sonne hinter dem Horizont abtaucht, fächert sie ihr Licht wie durch ein Prisma gebrochen auf und so lange, bis sie auf der anderen Seite wieder aufgeht, überspannt ein Regenbogen den Okzident bis zum Orient. Weihnachten könnten wir die Geschenke draußen im Garten bei angenehmen 20 Grad verstecken. Das, was wir nicht wieder finden, kann bis Ostern liegen bleiben. Wir würden wieder Palmen statt Koniferen mit Christbaumkugeln und Lichterketten schmücken, ein bethlehemsches Gefühl. Darunter streuten wir künstlichen Schnee. Hühner legten nur noch braune Eier, die haben weniger Cholesterin. Zugvögel könnten sich die lange und beschwerliche Reise sparen und teilten sich fortan mit den Möwen die Sandbänke. Hase und Igel könnten schon vor dem Frühstück um die Wette laufen und der Fuchs bräuchte nicht mehr „Gute Nacht“ zu sagen. Väter oder Mütter bräuchten ihren Kindern keine Geschichte mehr zum Abend vorlesen. Der Sandmann könnte sich getrost noch einmal umdrehen. Frauen wären doppelt so oft fruchtbar und Männer hätten doppelt so oft Sex. Sie dürften schon vor 20 Uhr auf dem Sofa sitzen und „Hallo Robby“ gucken. Ein Ende der vielen Vorteile ist gar nicht abzusehen. Das ist doch ganz einfach zu haben!
Eier aus Freilandhaltung?
Wahrscheinlich wird das Huhn stattdessen geschlagen!
Freu dich nicht zu spät!
Unerwartet blickt Murat in ein Lächeln, weich wie der erste Kuss und zart wie die ersten Sonnenstrahlen im Frühling.
Er bleibt wie angewurzelt stehen und starrt sie mit offenem Mund aus etwa einem Meter Entfernung an. Sie hält seinem Kuckucksblick unerschrocken stand. „Wer ist das?“, flüstert er mir zu. Ich will grade antworten, als mein Handy klingelt. „Ja?“, nuschele ich hinter vorgehaltener Hand. Eine Stimme krächzt mir ins Ohr wie die letzten Worte eines verschütteten Bergmannes: „Warmmacha kaputt!“ „Wir kommen“, sage ich und klappe das Handy wieder zu. „Murat, dein Bruder hat angerufen. Ich glaube, die Heizung ist kaputt. Nimm die Eimer und los! Wir müssen zurück!“ Murat nölt, immer müsse er die schweren Malereimer schleppen. Ich fasse mir instinktiv ins Kreuz, halte ihm aber die Tür auf.
Wir müssen etwa 10 Minuten laufen bis zu unserem Rapid. Er steht mit dem rechten Hinterrad auf dem Bürgersteig in einer viel zu engen Lücke. Während Murat durch die Beifahrertür die Eimer nach hinten hievt, begutachte ich den Möwenschiss auf der Windschutzscheibe, lese mir das Knöllchen durch und klemme es beim Vordermann unter den Wischer. Das Auto ist unser ganzer Stolz. Murat nennt es gerne „Lebensabschnittsgefährt“. Ich glaube, das hat er irgendwo aufgeschnappt. Wir haben es erst vor einer Woche bei einem Schwager des Arbeitskollegen seines Bruders gegen meine alte Taucheruhr getauscht. Seine Pizzeria lief nicht mehr gut, die Uhr auch nicht und so war es ein lohnendes Geschäft. Jetzt prangen unsere Namen in dicken Lettern auf beiden Seiten, darunter „Haushaltswarensonderposten“ und die Anschrift. Ich musste Tage lang mit Murat diskutieren, damit er alle Buchstaben von „Renzo’s Pizzeria“ vom Wagen abknibbelt. Er wollte RENZO stehen lassen und HaushaltswaRENZOnderposten davonmachen. Auf der Heckklappe grinst aber immer noch der dicke Schwager mit einem Pizzaschieber in der Hand. Der muss auch noch ab!
„Diese Frau“, beginnt Murat noch einmal, „kennst du sie?“
„Oh ja, schon viele Jahre!“
„Ich muss sie wieder sehen! Sie ist so wunderschön!“
„Murat, das war doch nur ….“, weiter komme ich nicht, denn Murat dreht das Radio auf und singt lauthals mit. Für mich klingt es wie das Vorspiel paarungsbereiter Murmeltiere.
Murat findet wieder keinen Parkplatz vor unserem Geschäft. Ich steige schon mal aus und unterhalte mich mit seinem Bruder, ob „Haushaltswarensonderposten“ nicht vielleicht doch ein zu langes Wort ist. Wir könnten es auch einfach „Renzo’s Lädchen“ nennen?! Er nickt und zeigt mir die angeschmorte Zuleitung vom Wasserkocher. Endlich kommt Murat mit den beiden Eimern angeeiert. Er stellt sie ab und wischt sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. „Murat, wir sind spät dran“, sage ich und gucke demonstrativ auf mein linkes Handgelenk, wo mich ein Stückchen helle Haut begrüßt, „wo bleibst du? Fang doch schon mal an, die Wände zu streichen. Ich muss noch ein neues Kabel besorgen und dann lade ich die anderen Kaufleute zu unserer Eröffnung nächste Woche ein!“
Mein erster Weg führt mich direkt zum Kabelbaron. Ich wühle mich durch Klappkisten voller Kabel, Schalter, Stecker und Sicherungen. Ich finde einen gut erhaltenen Raclettegrill, nehme noch ein Sortiment Knopfzellen, eine Stange günstige Zigaretten und für Murat eine breite Farbrolle mit. In den Regalen verstecke ich ein paar kopierte NEUERÖFFNUNG!- Zettel. Ich habe Glück, bekomme einen Tee und 10 % Rabatt auf meinen gesamten Einkauf und zahle 50 Cent extra für die Plastiktüte. Diese Marketingstrategie beschließe ich, mir zu merken.
Mit dem Einkauf unter dem Arm schlendere ich weiter. Ich komme an einem Haushaltswarenfachgeschäft vorbei. „Oh“, denke ich, „da muss ich doch mal gucken.“ Das Schaufenster ist hübsch dekoriert mit Hutschenreuther- Figürchen, die in der Preisklasse unseres Rapids liegen. Schmuckes Geschirr von Rosenthal und Dibbern verspricht, jeden Abendbrottisch zum perfekten Dinner zu machen. Mir fällt ein, dass bei meinem Raclettegrill noch etwas fehlt. Ich ziehe die Tür auf, ein Klingeling signalisiert mein Eintreten. Ein ergrauter Chefverkäufer tritt aus einem Nebenraum durch einen schweren Brokat- Vorhang auf mich zu, „womit kann ich Ihnen dienen, mein Herr?“
„Ja“, sage ich, „ich suche Holzspatel, damit ich mir die Raclette- Pfännchen hier nicht mit der Metallgabel verkratze“ und halte den verschlissenen Karton hoch, „haben Sie so etwas?“
Das Korkgesicht wird puterrot. Er hat wohl an diesem Tag noch keinen erfreulichen und einträglichen Verkaufsabschluss verzeichnet oder ich störe ihn grade hinter seinem Vorhang bei einer Bio- Orange zum Abendbrot. Seine Schwiegermutter ist ein Drachen und die eigentliche Herrin im Geschäft. Seine Frau hat einen deutlich jüngeren Liebhaber, den sie aushält und die Kinder heißen Kevin und Chantalle, was alleine schon ausreicht für ihre psychiatrische Einweisung. Die Putzfrau hat sich krankgemeldet, beim SLK rutscht die Kupplung und der TÜV ist abgelaufen. Sein Handicap hat sich verschlechtert, die Aktienkurse fallen und die Moral verkommt.
„Wo haben Sie den denn gekauft?!“, blufft er mich an.
„Och“, sage ich, „ich mache mit meinem Knastkumpel Murat drüben einen Haushaltswarensonderpostenladen auf.“ Ich zeige in die Richtung. „Die Spatel fehlen uns noch im Sortiment.“ Ich nicke ihm höflich zu, drehe mich in der Tür noch einmal um, „auf gute Geschäftsbeziehungen!“
Klingeling!
Als ich zurück komme, deckt Murat grade den Fußboden mit Zeitungspapier ab. Auf der Fensterbank steht ein durchweichter Pizzakarton. Eine Melange aus Lösungsmitteln, Knoblauch und Bier steigt mir in die Nase. Ich entdecke eine Werbebeilage vom Baumarkt ohne Tiernahrung und Pflanzen und nehme sie hoch. „Guck mal“, sage ich zu ihm, „hier gibt es Farbe, die nicht riecht, nicht kleckert und schnell trocknet! Was hältst du davon?“ Ich lehne mich an den Türrahmen, ehe er antworten kann. Er rollt mit den Augen. Meine schwarze Lederjacke pappt am Rahmen wie eine Fliege am Klebestreifen. Mit einem Ruck und einem Geräusch wie Leukoplast am haarigen Unterarm reiße ich mich los.
Motzend gehe ich in den Nebenraum und mache ich mich daran, das versengte Kabel vom Wasserkocher auszutauschen. Die Zigaretten schmecken nach getragenen Schuhen. Ich überlege, sie später Murat anzudrehen, dem ich noch Geld schulde.
„Weißt du, wen ich getroffen habe?“, rufe ich ihm durch den Vorhang zu. Murat klettert von der Leiter und steht mit der alten Pernod- Kappe, dem blauen Overall und seinem Dalmatiner- Gesicht in der Tür. „Renzo?“
„Nein, du weißt schon! Die Frau!“
Murat wird ganz hektisch, geht zum Waschbecken und schrubbt sich die Farbe aus dem Gesicht.
„So willst du ja wohl nicht los“, sage ich und zeige auf seine Kappe, „außerdem: Meinst du nicht, sie ist ein bisschen zu alt für dich?“
„Nun erzähl schon!“
Ich biete ihm eine Zigarette an, er stochert aufgeregt mit seinen Farbfingern in der Schachtel umher. „Also“, beginne ich, „du weißt doch noch, wo …“
„PFUMP!“, macht es, als ich den Stecker in die Dose drücke und alles ist dunkel.
„Oh“, mache ich, „Warmmacha kaputt!“
Am nächsten Tag will ich Sicherungen und einen Wasserkocher kaufen. Murat besteht darauf mitzukommen, vielleicht träfen wir sie ja?! Ich überlege, ob wir noch mal in dieses nette Geschäft gehen, entscheide mich dann aber für Bijou Praktiker. Da können wir dann auch die andere Farbe kaufen, die Türrahmen müssen dringend gestrichen werden.
Im Eingang laufen wir Renzo in die Arme. Er hat da einen kleinen Stand mit mediterranen Spezialitäten. Heute gibt es bei ihm auf Alles 20 %, verkündet er stolz. Sein neues Geschäft liefe gut, die Leute seien verrückt nach seinem eingelegten Gemüse. Murat probiert neugierig eine Piri- Piri- Salsa. Hummerrot hustet er sich in die Faust. „Hast du dich erkältet?“, frage ich. Murat nickt mit dem Kopf. Renzo wiegt ihm darauf hin eine große Portion in einem klaren Becher ab, tippt eine zweistellige Zahl ein, wickelt alles in schweinefarbenes Papier und packt es in eine Tüte. Er nimmt sein Handy von der Waage und stellt die Salsa auf die Glastheke. „Und ein Fladenbrot umsonst, weil ihr es seid! Das macht dann genau zwanzig Euro“, sagt er. Murat stutzt. „Minus zwanzig Prozent, sind, äh, achtzehn“, schiebt Renzo schnell hinterher. Murat nestelt einen großen Schein aus der Hosentasche und überreicht ihn Renzo. Er flüstert mir zu: „So ein alter Gauner, der wollte mich glatt bescheißen!“ Ich gehe schon mal zu den Sonderposten, während Murat auf sein Wechselgeld wartet und schaue mir einen Laubbläser an. Der hat ein schönes Grün und 3000 Watt. „Boah“, denke ich, „ganz schön laut!“
Murat taucht wieder auf. Wir beschließen uns zu trennen. Er fährt mit dem Karren ins Untergeschoss zu den Farben, ich schlendere mit zwei weißen Plastiktüten durch die Werkzeugabteilung. Bei den Spannungsprüfern mache ich Halt. Ich will einen Verkäufer fragen, ob der auch für Niederspannung geht, aber zwischen den Hochregalen spricht nur der Preis. Ich nehme ihn trotzdem, er ist reduziert. Beim Autozubehör treffen wir uns wieder. Kritisch begutachte ich seinen Wagen mit Farbe, einem Edelstahl- Wasserkocher, einem Knopfzellensortiment und einer breiten Farbrolle.
„Was willst du denn mit den Batterien?“, frage ich ihn.
„Oh“, meint Murat, „Renzo hatte kein Wechselgeld. Da hat er mir noch günstig diese Taucheruhr verkauft“ und hält sie mir triumphierend unter die Nase. „Ich glaube, da ist nur die Batterie alle!“
Die Kasse ist wieder die Hölle. Die Aushilfskassiererin kann Styropor nicht von Porenbeton unterscheiden und tippt beim Spannungsprüfer doch den Original-Preis ein. Bis endlich die Kassenaufsicht kommt, ist Arminia Bielefeld einmal auf- und einmal abgestiegen. Am Imbiss draußen kaufen wir zwei halbe Hähne und rauchen getragene Schuhe.
Noch drei Tage bis zur Eröffnung. Murat ist echt fleißig. Er ackert und schuftet von früh bis spät, tapeziert, streicht und lackiert die Türen. Ich lade die anderen Ladenbesitzer ein, auch die Bio- Orange von gegenüber, und verteile Zettel an die Passanten. Beim Kabelbaron finde ich tatsächlich Holzspatel. Ich tausche die verschmorte Zuleitung um und bekomme noch einen putzigen Krümelsauger in Form eines kleinen Marienkäfers zur Entschädigung. Die Taucheruhr schwatze ich Murat gegen die Zigaretten wieder ab. Ich schraube den Boden auf und will die alte Batterie mit dem Spannungsprüfer testen, weiß aber nicht, wie das geht. Zum Glück hat Murat ja noch neue. Er braucht die ja nicht mehr. Um Mitternacht ist er endlich fertig mit den Fußleisten, die Uhr piept. Klasse! Ich schnorre mir noch eine von seinen Zigaretten und schicke ihn nach Hause. Erschöpft ziehe ich das Buschfeuer in meine Lungen. Ich sitze da und probiere den Marienkäfer aus. Er schafft sogar ganze Maiskörner. An einer Olive verschluckt er sich röchelnd. Ich muss ihn wohl zurückbringen. Mir fällt ein, dass ich Murat noch versprochen habe, sauber zu machen, weil morgen unsere erste Lieferung ankommen soll. Ich hole den Laubbläser aus dem Auto und fange an.
Zufrieden über mein gestriges Tagewerk lade ich Murat am nächsten Morgen auf einen Kaffee beim SB- Bäcker ein.
Und da passiert es:
Unerwartet blicke ich in ein Lächeln, weich wie der erste Kuss und zart wie die ersten Sonnenstrahlen im Frühling.
Irritiert schaue ich mich um. Doch da ist niemand außer mir und Murat und der stöbert in einer Ecke in Heimwerker- Zeitschriften. Dieses Lächeln gilt also mir?! Umso schlimmer! Was mache ich denn jetzt? Wie sehe ich überhaupt aus? Seit Tagen nicht rasiert, die Haare zottelig wie ein Fraggle. Und jetzt so was! Ausgerechnet! Es gibt sieben andere Tage in der Woche, da fühle ich mich attraktiver!
Ich bleibe wie angewurzelt stehen und starre sie mit offenem Mund aus etwa einem Meter Entfernung an. Sie hält meinem Kuckucksblick unerschrocken stand.
PFUMP! Es knistert und knallt in meinem Kopf. Gefühle explodieren in bunten Farben.
PFUMP! Du wirbelst Erinnerungen auf. Für einen Moment dachte ich, ich kenne Deine Stimme oder bin dir als Ameise schon mal begegnet.
PFUMP! Deine Augen blicken direkt in mein Epizentrum der Begierde und der Neugier.
PFUMP! Ich bin Feuer und Flamme, gründe in Gedanken eine Familie, habe den besten Sex meines Lebens.
Ich höre nicht, wie hinter mir die automatische Tür aufgeht, alle Geräusche verschwinden hinter einem vergessenen Geruch von Nähe. Plötzlich stößt mich der grauhaarige Holzspatel mit der Kraft der zwei Herzen von hinten an, „junger Mann, das ist hier kein Stehimbiss! Wollen Sie jetzt bestellen?“
Ich schrecke hoch. Murat steht auf einmal neben mir, legt mit einem kühlen Lächeln eine Ausgabe von „Selbst gemacht leicht gemacht“ auf die Theke und sagt: „Hallo Ayse, zwei Kaffee bitte!“ Meine Taucheruhr piept und zeigt die Fehlfunktion meines Sprachzentrums an, „Warmmacha kaputt!“ stammele ich mit rotem Kopf wie nach einem Esslöffel von Murats Salsa. Ayse blinzelt kurz, als habe sie einen Regentropfen abbekommen. Dann huscht wieder die warme Sonne des Frühlings über ihr Gesicht und ich kann gar nichts dagegen tun.
Hier geht es endlich weiter.
Amtsärztin
Manchmal reite ich den Wahnsinn. Dann und wann falle ich auch herunter. Wenn ich mir dann dabei einen Zacken aus der Krone breche, könnt‘ ich wahnsinnig werden.
Es wird mal wieder Zeit.
Wie bei dieser dicken, osteuropäischen Amtsärztin bei der Schuluntersuchung.
Ich stelle mir das Szenario so vor: Tschernobyl 1986. Es knallt und pufft. Im Kühlschrank ist es hell, selbst wenn es dunkel ist. Hühner legen harte Eier. Tomaten wachsen auf die doppelte Größe von Kürbissen heran. Das Publikum der Live- Ausstrahlung von Wetten, dass … in Warschau wird evakuiert. In der DDR-Botschaftsschule in Moskau durchdringt die Strahlung alle Unterrichtsräume und sämtliche Lehrmaterialien werden dabei vernichtet. Ein kleines Mädchen, schon damals mit 12 Jahren nur 1,20 m groß und plump wie die Transsib, versteckt sich unter einem löchrigen MICHAIL- Schreibtisch, um etwa 25 Jahre später im Gesundheitsamt einer kleinen westfälischen Stadt ausgerechnet am Tag vor dem Fußball- Derby gegen ein katholisches Domdorf eine Schuleingangsuntersuchung vorzunehmen.
Der Untersuchungsraum gleicht bis aufs Haar jener Abhörzentrale in der Nähe der Metro- Station Jugo-Sapadnaja: Dem Bild des Möwenschisses auf dem Cortex Cerebri von Gorbatschow hinter opakem Glas, der Karte der DDR- Reichsgrenzen mit dem Anschluss nach Polen, dem Ankündigungsplakat des Moskauer Staatszirkusses mit Oleg Popov und dem Stadtplan mit dem Kreml und dem Roten Platz. Lediglich in einer kleinen Nische hinter einer Zobel- Pelzjacke aus Familienbesitz hängt das eigene Medizin- Diplom in beglaubigter Übersetzung und zeugt von dem Übergang zur Aufklärung.
Mit haarigen Unterarmen überreicht sie dem Kind eine eingerissene Blaupause mit dem Geruch von angereichertem Uran und fragt ihn: „Was verrab-rreicht die Frrrau demm Jun-gän?“ (Anmerkung d. A.: Sie füttert ihn mit Möhren!).
PS: Stumm wie ein treuer Staatsbürger blieb der Proband und wurde trotzdem eingeschult. Na sdorowje!
Der Wolf und der Fuchs
(überarbeitete Fassung)
Isegrim schleicht durch den Wald. Er ist wieder einmal hungrig.
Seine letzte Mahlzeit ist schon eine ganze Weile her: Er hatte sich eine dumme Gans gerissen, die ihm gedankenlos und schnatternd zu nahe kam. Zack! Und happ!
Jetzt aber knurrt sein Magen so laut, dass er zusammenfährt und sich ängstlich umblickt. War da jemand? Misstrauisch stakt er durchs Unterholz und lugt hinter jeden Baum.
Im Laufe der Jahre ist er ein bisschen grau geworden und das Aufstehen fällt ihm schwer. Abends kriecht er zurück in seine Höhle und schläft oft noch vor dem Ruf der Eule ein.
Vergangene Nacht wälzte er sich wieder einmal unruhig hin und her. Mürrisch und zerknirscht ist er dann aufgestanden. Er ist nicht wählerisch: Was seinen Hunger stillt, das frisst er auch. Dennoch interessieren ihn heute die reifen Beeren an den Sträuchern links und rechts nicht. Ihm steht nach Jagen der Sinn, nicht nach Pflücken. So streunt der griesgrämige Isegrim weiter. Längst hat er sein vertrautes Revier verlassen. Unsicher schaut er sich um und fragt sich, ob er nicht doch zurückgehen soll.
Mit einem Mal erregt etwas seine Aufmerksamkeit. Er spitzt die Ohren und reckt seine Nase in die Luft. Ganz in der Nähe muss ein Feuer brennen. Geduckt schleicht er voran und endlich kann er von einer Anhöhe aus in einer langgezogenen Senke einen Bauernhof entdecken. Sein Magen beginnt, von Neuem zu knurren. Diesmal erschrickt er nicht. Er hat seinen Blick starr auf den kleinen Stall gerichtet. Dort vermutet er eine leckere Mahlzeit, ihm läuft das Wasser im Maul zusammen.
Vorsichtig klettert er aus seinem Versteck und sucht immer wieder Deckung hinter Büschen und Bäumen. Er hat sich bis auf etwa fünfzig Meter herangepirscht, als er auf der anderen Seite den Schweif von Reineke Fuchs erspäht. Er ist ebenso auf der Jagd wie er selbst.
Isegrim hält inne. Er weiß nicht, was er tun soll.
Soll er sich mit Reineke verbünden?
Würde das, was er im Stall erahnt, auch für ein Festmahl zu zweit reichen?
Soll er zurückgehen oder soll er sich auf einen Kampf mit dem jüngeren Widersacher einlassen?
Er kann keinen klaren Gedanken fassen, als er sieht, dass Reineke sich bereits an der Tür zu schaffen macht.
Will der ihm etwa zuvorkommen?
Und soll er wieder hungrig von dannen ziehen?
Nein! Isegrim ignoriert die Gefahr, vom Fenster des Bauernhauses aus gesehen zu werden und springt so laut knurrend und mit großen Sätzen auf Reineke zu, als wolle er den ganzen Schuppen mit Huhn und Hahn mit einem Happs verschlingen.
Reineke Fuchs gerät derart in Panik, dass er jaulend und ohne sich umzudrehen in den nahen Wald flüchtet.
Endlich ist der Weg frei! Heißhungrig öffnet Isegrim das knarrende Tor und schiebt sich hinein. Er merkt nicht, wie der Riegel hinter ihm ins Schloss kracht. Neugierig blickt er sich um.
An der Wand stehen ein paar Garten- und Hofgeräte und eine Schubkarre mit plattem Rad lehnt an einem Balken. In den Fässern sind kein Krümel und kein Korn mehr und von dem zarten Federvieh Henning und Kratzefuß weit und breit keine Spur. Nur im Sonnenlicht, das auf das Stroh fällt, liegen drei weiße Eier.
Isegrim lässt enttäuscht die Rute hängen, denkt an die reifen Beeren im Wald und wie lecker eine dumme Gans jetzt wär‘.
Plötzlich hört er Geräusche und erschrickt.
Es rumpelt an der Tür und jemand spricht: »Endlich habe ich dich!«
Er sitzt in der Falle. Was soll er tun? Bei nächster Gelegenheit würde der Bauer die Tür öffnen und ihn mit seiner Flinte erschießen! Gehetzt schaut er sich um, ob er sich irgendwo verstecken oder ihm ein kühner Sprung durch das Fenster das Leben retten kann, doch das ist vergittert.
Da ruft die Stimme: »Gib mir, was mein ist!«, und Isegrim erkennt, dass es nicht der Bauer ist, der da vor der Tür steht, sondern Reineke Fuchs, der zurückgekommen ist.
»Was meinst du?«, bemüht sich Isegrim mit tiefem Bass zu sagen.
Er muss Zeit gewinnen, er hat immer noch keine Ahnung, wie er aus diesem Stall und aus diesem Schlamassel wieder herauskommen soll.
»Du hältst dich wohl für besonders schlau? Was glaubst du, warum ich hier bin?«
»Vielleicht der fetten Hühner wegen?«, blufft Isegrim.
»Ja, genau! Wie viele sind es denn?«, fragt Reineke.
»Genug für uns beide!«
»Nun sag schon!«, bellt Reineke zurück.
»Komm rein und zähl sie!«, flötet Isegrim, der inzwischen die Schubkarre so vors Tor geschoben hat, dass sie den Fuchs mit ihrem Blechbauch verschlingen würde, sobald er den Stall betritt.
»Damit du mich einsperren kannst, so wie du jetzt selbst eingesperrt bist?«, argwöhnt Reineke, »niemals, mein Lieber! Gleichwohl können wir einen Pakt schließen: Du überlässt mir die Hühner und ich lasse dich frei!«
»Dich soll doch der Jäger holen«, wettert der Wolf.
»Wie du willst. Dann bleibst du eben da, wo du bist!«, antwortet Reineke.
Entsetzt erkennt Isegrim, wie der Fuchs sich anschickt zu gehen.
»Nein, halt!«, ruft er ihm geschwind hinterher, »so gönn mir wenigstens die Eier! Ich bin genauso hungrig wie du!«
Reineke scheint zufrieden: »Also gut. Aber danach verschwindest du!«
Das lässt sich Isegrim nicht zweimal sagen und schlürft hastig die Eier aus.
Als der Fuchs die Tür öffnet, springt Isegrim mit großen Sätzen hinaus und verschwindet in Richtung Wald. Er hat die Lichtung noch nicht erreicht, da hört er Reineke schon toben. Isegrim schaut sich um und sieht, wie der betrogene Fuchs wütend die Schubkarre umstößt, die Fässer zertrümmert und das Stroh in die Luft wirft.
Lange bevor Reineke den Schuss hört, erblickt er den Bauern mit der Flinte. »Jetzt habe ich dich endlich!«
Der Fuchs lässt versteinert den Schweif hängen, denkt an die frischen Eier im Nest und wie lecker ein zartes Huhn jetzt wär‘.
Dann ist es still.
(Orginalfassung als Audiodatei)
Haferschleim
Ich war mal krank. Musste sogar ins Krankenhaus. Sollte sogar da bleiben. Am nächsten Nachmittag spielte aber Arminia Bielefeld- Bayern München. Ich wollte nicht bleiben. Ich wollte auf den Block, wo ein anständiger Fan hingehört, wenn er in Bielefeld wohnt. Ich musste aber bleiben. Ich hatte aber meine Dauerkarte und mein Trikot eingepackt. Komisch. Ich dachte, höre ich das Spiel eben im Radio. So blieb ich eine Nacht, bat die Schwester, mir den Zugang zu ziehen, weil er weh täte und machte dann einen GAAANZ langen Spaziergang. Am Stadion vorbei. Zufällig. Und als Fan hatte ich natürlich mein Trikot an. Und meine Dauerkarte dabei. Vielleicht könnte ich die ja noch einem Freund geben. War aber keiner da. Warn schon alle auffem Block. Ging ich also mal gucken. Hallo sagen. War ein geiles Spiel. Ham aber verloren.
Am Abend gabs wieder Haferschleim im Krankenhaus. Lauwarm. Das Zeug schmeckt ja wie aufgeweichtes Löschpapier in Grau. Sieht auch so aus. Also erst einmal einen Teebeutel reinhängen. Dann gings schon besser runter. Mit weniger Würgen. Mein Körpergewicht näherte sich inzwischen dem einer gusseisernen Bratpfanne. Dann kam Ostern. Ich löste kleine eingeschmuggelte Schokohäschen im Haferschleim auf. Das war schon ein anorektisches Festmahl. Sehr empfehlen kann ich auch einen etwa 2 cm langen Streifen Zahnpasta. Nimmt man Signal, ist es quasi sogar Haferschleim rot- weiß. Nach 5 Tagen und 7 Kilo geschmolzenem Körpergewicht hätte ich jede Schwesternschülerin zugunsten eines Butterkekses nackt liegen lassen. Dann gab es Aufbaukost. Ich dachte, dass mich das aufbaut. Vergeblich suchte ich unter der Portionsmarmelade (Aprikose!) nach Aufschnitt. Wie ein Huhn, nicht wie ein Mann, pickte ich meine Scheibe Un- ge- Toast und mopste mir bei entlassenen Mitpatienten Magermilch- Joghurts vom Tablett, bevor die abgeräumt wurden. Am Abend, nachdem mich das erste Mal die osteuropäische Außenhandelsvertreterin nach Brötchen zum Frühstück gefragt hatte, wurde ich entlassen. Schlank wie ein Zaunpfahl, geil wie ein Murmeltier nach dem Winterschlaf und der Kühlschrank leer wie eine Halle zwei Stunden nach Ende eines Konzertes von Hansi Hinterseer.
Seifenparty
Ach du scheiße. Das kann ja auch nur Frauen einfallen! Eine Seifenparty?! So ein in Seidenpapier eingeschlagenes 50 Gramm – Stück kostet bestimmt 12,95 und riecht auch nicht besser als die gute alte Fa. Aber wahrscheinlich belagern da 10 – 12 Hühner um die 40 das heimische Wohnzimmer den ganzen Abend lang zur besten DSF – Sendezeit, zeigen sich ihre neuen Frisuren, Schuhe und Übergangsjacken und trinken sauren Prosecco. Da ist so ein Stückchen Seife nicht zu teuer und ein willkommener Anlass, über Männer im Allgemeinen und ihre eigenen im Besonderen herzuziehen und nebenbei mal eben 4 – 5 von Hand gezogene Duftklumpen mit ätherischen Ölen aus wildwachsenden Kräutern von den Hängen des südlichen Apennin zu kaufen. Das Geld ist ja schließlich selbst verdient. In der Boutique oder im Gummibärenladen. Wo wiederum nur Frauen einkaufen. Und weil die Seife ja doch nicht so ganz billig war, findet sie im Louis – Philippe – Vertiko einen passenden, letzten Aufbewahrungsort.
Der Mann ist natürlich zu so einem Happening ausgeladen. Er rennt derweil im real,- („Einmal hin. Alles drin“) dreimal um den Akkuschrauber aus der Werbung herum und überlegt genau, ob er den wirklich braucht, kauft dann einen Kasten Bier, eine neue Jeans und eine Tüte Lakritze und besucht einen alten Freund. Wir gucken Fußball, reden über schöne Frauen (nicht die eigenen) und betrinken uns.
Ich bin schon mal gespannt auf seine neuen Alufelgen!
Schweinegrippe
Überall ist sie in aller Munde (schmeckt das dann nach Schnitzel?). Man hört davon in den Nachrichten, man liest darüber in den Zeitungen. Wie damals beim Rinderwahnsinn.
Aber ich kriege es einfach nicht. Ich kann mir Mett, halb Rind, halb Schwein, Zentimeter dick aufs Brötchen schmieren, ich kriegs einfach nicht. Ich bekomme weder lila Flecken, noch ringelt sich mein Schwänzchen. Auch die Hühnerpest ist Zugvogel artig an mir vorbeigeflogen, ohne dass ich Eier gelegt hätte. Was mache ich bloß falsch? Ich habe mich mit aktiven Erregern impfen lassen. Nix! Noch nicht einmal eine Rötung an der Einstichstelle! Ich war im Urlaub an der Schweinebucht, lass mich auf jeden Kuhhandel ein, telefoniere täglich mit der Hotline im Bundesgesundheitsministerium, habe ein 6- monatiges Praktikum bei Bauer Ewald auf Prickings-Hof absolviert. Es passiert einfach nix.
Ich werd noch wahnsinnig.
Über das Eierlegen
Schaut, das Huhn
wie es verzweifelt drückt
bis das Ei
die Welt erblickt.
Mit einem leichten Knacks
kommt es dann
in die heiße Eierpfann‘.
Zur Philosophie über das Ei
Lass sie streiten, die Banausen
in ihren kleinen Hütten hausen
ob nun das Huhn oder das Ei
das ist MIR doch einerlei.