Dawo

Manchmal möchte ich da sein, wo der Wind warm ist, wenn er weht. Wo der Regen klar ist, wenn er fällt. Wo einfach alles so ist, wie es sein soll. Wo die Dinge da sind, wo sie hingehören.
Da, wo ich morgens keinen Schlüssel suchen muss oder den zweiten Socken. Da, wo keiner den Toaster hochdreht und das letzte Blatt Klopapier aufbraucht. Da, wo sich das Essen selber kocht und die Waschküche immer leer ist.
Manchmal wünsche ich mir, mit einer kuschligen Decke unter dem Schreibtisch an der warmen Heizung zu sitzen. Die Geräusche verstummen und die Zeit hört auf zu ticken. Diesen winzigen Moment von Geborgenheit und Gelassenheit bewahre ich mir dann in einem Marmeladenglas auf und schnuppere daran, wenn der kalte Wind bläst und trüber Regen ans Fenster klatscht.
Manchmal möchte ich bei der Aktion Sorgenkind gewinnen.
Manchmal wünsche ich mir eine Fee, die sich um mich kümmert und mir die Sorgen nimmt. Sie muss auch nicht jung sein oder hübsch, auch wenn mich das nicht stören würde. Es reicht, wenn sie die Hecke schneidet oder Playmobil sortiert, die Schuhe zum Schuster bringt oder das Paket von der Post holt. Sie könnte für mich zum Friseur gehen und zum Sport, die Blumen gießen oder das Laub fegen. Und ab und zu sollte sie einen kleinen Kuchen für mich backen oder eine Pesto zubereiten.

Dann hätte ich wieder einmal Zeit für mich. Ich käme unter meinem Schreibtisch hervor, würde in der Nase bohren und das goldene Seepferdchen machen.

Gesichtsyoga

Fortsetzung von Freu Dich nicht zu spät! (Kapitel 1), Abstelltraum (Kapitel 2), Strebergarten (Kapitel 3), Wortgeflecht (Kapitel 4), Kassensturz (Kapitel 5) und Gleicheitrige (Kapitel 6)

Noch am gleichen Abend stelle ich Murat meine neue Geschäftsidee vor und zeige ihm meine Notizen in der Chinakladde. Er ist sofort hellauf begeistert, meint aber, wir müssten diesmal „solider“ an die Sache herangehen. Großzügig lade ihn zu der Unternehmermesse ein, unter der Bedingung, dass er meinen Deckel bei Renzo bezahlt und den Laden auf Vordermann bringt. Schließlich hat er ja auch seine Kehrwoche nicht eingehalten. Er zieht eine Augenbraue hoch, schielt mich an wie Angela Merkel bei der Damenwahl, stimmt dann aber zu. Ein schlauer Kopf, mein Murat.
Am Samstag schließen wir das Geschäft schon mittags. An der Tankstelle kaufe ich noch ein Duftbäumchen und zwei Dosen Haake- Beck, während Murat volltankt und nach dem Öl schaut. Ich setze mich schon mal und suche im Radio die Vorberichtserstattung der Fußball- Bundesliga. Mit einer Packung Knistertabak und zwei Dosen Efes kommt Murat aus der Kassensauna zurück. Wir stoßen euphorisch auf unseren neuen Coup an und dieseln Richtung Autobahn los. Es ist stickig und die Fensterkurbeln drehen an beiden Türen einfach durch. Murat schwitzt hinterm Steuer, als sei Biblis A kurz vor der Endabschaltung doch noch geschmolzen. Ich biege den Ventilator ein Stück weiter zu mir. Den letzten Kilometer geht es nur noch Meterweise vorwärts, frustrierte Coffee to go- Becher säumen die Straße. Endlich rücken wir auf Platz Eins der Karawane der Parkwilligen vor, als Murat plötzlich seine Mokassins hart auf die Bremse haut. Der Wagen nickt tief vor einem Männchen in Warnweste und Sicherheitsschuhen ein, das Arm wedelnd vor unserem schnaubenden Kühlergrill steht. Ich pralle mit dem Kopf an die rotierende Windmaschine, die mir eine tiefe Blitznarbe in die Stirn schneidet und stoße einen unverzeihlichen Fluch aus. Grüne Lichtblitze sirren umher, prallen aber an der massiven Karosserie unseres Rapids ab. Der selbstständige Parkplatzeinweiser taumelt, tritt dann bleich an die Seitenscheibe und will schon einmal 5€ kassieren. Ich klopfe mein Testsieger- Shirt ab, zucke mit den Schultern und schaue Murat an. Er pflückt einen klammen Schein aus seiner Hosentasche, öffnet die Tür einen Spalt weit und reicht ihn hinaus. Ein kühler Windstoß schwappt herein. Das Parkticket könnten wir von der Steuer absetzen, ruft der Wegelagerer uns fröhlich zu. Ehe ich ihn mit dem Imperius- Fluch gefügig machen kann, gibt Murat auch schon wieder Gas und rauscht den Weg an den langen Messeblechhallen vorbei. Direkt vor dem Haupteingang quetscht er sich auf einen Frauenparkplatz zwischen zwei Twingos. Durch die großzügige Kofferraumtür stolzieren wir nach draußen. Die Sonne lacht uns zu, wir lachen uns an, umarmen uns und gehen unter bewunderten Blicken auf dem roten Teppich zum Portal. Auf einmal huscht Ayse an uns vorbei und verschwindet ebenso plötzlich im Getümmel. Mir stockt der Atem, zittrig nestele ich nach dem Einlassticket, reiche Murat seines und sprinte hinterher. Erst jetzt bemerke ich, dass ich auf falschen Wegen wandele und im Fluss der zeitgleichen Eventausstellung „Einfach Frau sein“ schwimme. Panisch versuche ich noch umzudrehen, doch ich werde vom immer dichter werdenden Strom mitgerissen in den Dschungel der pastell- farbenen Begehrlichkeiten von Schmuck, Parfüm, Dessous, Wellness und Fitness, Haartrends, Dekorieren, Urlaub, Essen und Trinken und Trennungsberatung. Die letzte Welle spuckt mich direkt in einen Pulk blondierter Perückenschafe und Beratungsopfer, die am Stand der Weight Watchers Flyer, Ernährungstipps und Punktetabellen studieren. Mitgeschleifte Ehemänner in Fußball- Trikots starren abseits an einem Bierstand auf einen winzigen Fernseher, auf dem das Livespiel um den Spitzenplatz grade angepfiffen wird. Ich erkenne Renzo und will ausscheren, kann aber keinen Halt finden und werde weiter ins Innere des Plüschtempels geschoben und auf einen mintblauen Stapelstuhl gedrückt. Die Vorsitzende des Anorexie- Verbandes „Rund war die Frau“, die einer Brausestange Konkurrenz machen könnte, hält einen Multimedia- Vortrag zum Thema „Ich esse meine Suppe nicht“ und projiziert ein verzerrtes, dünnes Kerlchen auf Wand und Decke. Diät-Assistentinnen mit der eingefrorenen Mimik eines Tauschbildes reichen grüne Tees und stille Wasser zu gedünstetem Rohkostschnitzel auf einem ungeschälten Wildreismantel. Ayse ist eh verschwunden, denke ich mir und mache ich mit den Händen ein tolles Schattenbild (ein Murmeltier!), bis ich mit Süßstoffwürfeln beworfen werde. Fluchend flüchte ich hinter einen Vorhang, als ein schriller Schrei das Gebet zerreißt und von den kalten Metallwänden jäh zurückgeworfen wird. Entsetzt drehe ich mich um und blicke in Ulla Popkens nackte Augen. Noch ehe ich sie zu ihrer Figur beglückwünschen kann, bekomme ich einen Seegraskorb um die Ohren geschlagen. Pröbchen, Rabattgutscheine, Traubenzucker, bedruckte Einkaufswagenchips, Feuerzeuge und Kugelschreiber purzeln wild umher. Es sieht aus wie in Wacken am dritten Tag des Open Air- Festivals. Der übergewichtige Modeirrtum jagt mich trampelnd aus dem Zelt. Erst am Ha-Ra- Stand kann ich sie abschütteln, indem ich mich durch ein Nest damenbärtiger doppelter X- Chromosomenträger in die erste Reihe drängele. Eine gefühlte Halbzeit später schleiche ich mit einem revolutionären neuen Putzsystem mehr und einem gefühlten Monatsverdienst weniger von dannen. Erschöpft lasse ich mich in einen Massage- Sessel fallen. Das schwarze Leder klebt schwer auf meinem durchschwitzten Shirt. Geschickt streife ich mit der Hacke meine Schuhe ab, werfe 5 Euro in den Automatenschlitz und massiere meinen geschundenen Kiefer. Ich schaue auf meine Uhr und will grade die Zwischenergebnisse auf meinem Handy abrufen, als mich vier stählerne Hände von hinten packen. Zwei stiernackige PEZ- Gesichter nicken mit offenen Mündern und schiefen Nasen zur Tür. Eine Traube geifernder Weiber umkreist mich schnell, klatscht in die Hände und skandiert synchron „Ausziehen!“ Ich denke an meine Popeye- Unterwäsche und lasse mich ohne Widerstand hinausbegleiten.
Draußen steht die Sonne schon tief, ein verführerischer Bratwurstduft liegt in der warmen Abendluft. Bargeldlos, barfuß und blinzelnd folge ich ihm über den Parkplatz, bis ich in der Ferne Murat erkenne, der quatschend mit Ayse auf der Ladekante von unserem Wagen sitzt. Ich schleiche mich geduckt an und versuche, mir mein Geld aus dem Handschuhfach zu angeln. Im Radio laufen die letzten Minuten des heutigen Spieltages, es geht in allen Stadien hin und her. Als die Bayern in der Nachspielzeit einen ungerechtfertigten Elfmeter geschenkt bekommen, schlage ich fluchend aufs Blech. Plötzlich tauchen neben mir irgendeine Drahtbürste von den Gewichtsguckern und die Hand geflochtene Picknicktasche aus der Umkleidekabine auf. Die beiden Tuppertanten steigen in ihren Twingo und brausen mit meiner Deckung davon. Im letzten Moment kann ich mich mit einem kühnen Sprung unter unseren Renault retten. Durch den Unterboden muss ich dumpf den Torjubel der sprachdefizitären Südstaatentruppe mit Migrationshintergrund hinnehmen und stoße mir fast den Kopf vor lauter Zorn. Dann stellt Murat, der Banause, noch vor dem Schlusspfiff auf einen türkischen Sender um und trällert verliebt mit Ayse Tarkan´s einzigen Hit. Jetzt stoße ich mir den Kopf. Auf ein Mal steht Murat wie ein Strauß da, schaut kopfüber durch seine Beine hindurch und sieht meine Füße unter der Stoßstange heraus ragen. Ich schäle mich unter dem Wagen hervor, „alles klar“, sage ich, wische mir die öligen Hände an der neuen Jeans ab, „der Zylinder ist wieder dicht! Wir können weiter! Pass aber diesmal besser auf!“ Murat schaut mich an wie ein Playmobil- Sultan und ein winziges Lächeln huscht über Ayse´s Gesicht.
Nächste Woche ist wieder Messe, diesmal „Mann sein“. Da gehe ich sicher hin, Gina Wild gibt Autogramme!

Doch vorher führt uns unser Weg noch hierhin

Potpourri

Das wollte ich schon länger mal machen: Eine Geschichte schreiben, in der alle meine Schlagwörter („Tag-Links“, siehe am rechten Rand) mindestens einmal vorkommen. Ich probiere es mal alphabetisch!

Es ist Heiligabend. Soeben öffne ich das letzte Törchen vom Adventskalender. Was ist das denn? Ich traue meinen Augen nicht: Ein kleines Schokoladenauto. Und wer steigt grade aus? Der Bofrostmann! Wo will der denn so spät hin? Will der etwa noch Tiefkühl- Brötchen ausliefern? Wo denn? Hier in dieser unwirtlichen Gegend, mitten am Deich? Hier gehen die Eier zu Ende, die Frauen spielen Fußball und Haare wachsen am Horizont! Was in aller Welt hat der hier verloren? Leise schleiche ich ihm nach. Das gespenstische Licht des Mondes verzerrt die Schatten der Hühner im Garten von Kapitän Ahab zu einer Karawane Fleisch fressender Saurier. Plötzlich bleibt der Bofrostmann stehen und blickt sich misstrauisch um. Ich zucke zusammen. Hat er mich gesehen? Dämonisch sieht er aus, als würde er Kinder fressen. Ich fürchte um mein Leben, als er einige Schritte auf mein Versteck zugeht. Sein eisiger Atem stirbt in der klirrenden Kälte, kaum dass er sein Maul verlässt. „Ich bin ein Mann“ , denke ich, „zum Sterben ist jetzt keine Zeit!“ und laufe weg. Meine Schritte hallen in der Dunkelheit wie die Schläge des Belzebubs zum Altweiberfasching auf dem glühenden Amboss. Atemlos renne ich zum Meer. „Heiliges Murmeltier, steh mir bei“, schreie ich. Der graue Riese schmeißt unbarmherzig seine kalten Arme nach mir und spült Muscheln um meine Füße. Unsichtbare Möwen schreien durch die Nacht. Meine Nase saugt den salzigen Odem des Todes ein, in den Ohren knistert es nach zertretenem Playmobil. Das Radio in meinem Kopf spielt Julis „Woanders zu Hause“. Dann ist plötzlich Ruhe. Kognitiver Stromausfall. Unendliche Stille. Das Meer schweigt, als habe Neptun Mittagsschlaf verordnet und drohe jedem, der dieses Gesetz missachtet, mit einer Einzelstunde Eurythmie. Mit meinen Zehen presse ich den Sand in meinen Schuhen immer wieder zusammen, bis sich ein kleiner Damm darin bildet. Die Welt um mich herum ist stumm, wie in der Schule beim Englisch- Unterricht, mucksmäuschen still. Selbst die Segel eines trüben, vorüberziehenden Seelenverkäufers halten sich an das unausgesprochene Redeverbot. Ich fröstle.
Mit lautem Getöse poltert die Brandung Ruptus artig wieder los, glitschig wie Seife prescht sie mir ihre klamme Gischt ins Antlitz. Ich muss spucken und kneife die Augen zusammen. Als ich sie wieder öffne, brennt die Sonne, obwohl es eben noch stockfinster war. Bis zu den Knien eingegraben stehe ich am Strand, es ist heller Tag. Hinter mir entdecke ich eine schimmernde Tür. Das Wasser frisst gierig ihren Rahmen und drückt an die Buhnen.

Das Leben ist wie die Flut an Weihnachten“ , denke ich, „was die Welle nicht reißt, das reißt der Wichtel!“
In der Tür drehe ich mich noch einmal um und blicke ein letztes Mal zum Ende der Welt. Der Wind bläst mir ins Gesicht, das hält die Windschutzscheibe nicht.

Zauberpuste

Fortsetzung von Der Jever- Mann (Kapitel 1), Faltiger Autist (Kapitel 2) und Du bist nicht mehr mein Freund! (Kapitel 3)

Kapitel 4

Am nächsten Morgen werde ich davon geweckt, dass Papa verzweifelt seine Reisetasche sucht. Durch die Schlitze der Jalousie sehe ich, wie er auf dem Balkon fündig wird. Er entdeckt den zerfetzten Kicker, flucht dreimal laut und gibt mir und meinem Bruder in Abwesenheit die rote Karte. Das heißt: Kein Eis heute und kein Fernsehen vor dem Schlafen gehen mehr. Ich husche schnell zurück in mein Bett und kneife die Augen zusammen. Was ist, wenn er Klopf entdeckt? Das würde bestimmt rote Karte bedeuten bis ich zehn bin, oder hundert. Und nie wieder Delfino- Eis und Wickie gucken. Ich stupse meinen Bruder an, der zieht sich die Decke über den Kopf. Ich trete die Flucht nach vorn an, kneife mir den Schnippel zu und renne zum Klo, um zu sehen, was Papa vorhat. Kurz vor dem Bad bleibe ich wie angewurzelt stehen: Er greift tief in die Tasche und zieht ein angefressenes Salatblatt heraus. Ich stoße mir plötzlich das Knie und fange an zu weinen. Papa legt die Tasche zur Seite und tröstet mich. Dabei linse ich über seine Schulter und sehe, wie Klopf sich unter dem Kleiderschrank verkrümelt. Mit Zauberpuste tut das Knie auch schon nicht mehr weh.
Schlaftrunken kommt mein Bruder aus unserem Zimmer. „Was ist denn hier los?“, will er wissen. „Ich habe mich gestoßen“, sage ich, ehe sich Papa an die verschwundene Reisetasche und den Kicker erinnern kann.

“Was wollt ihr heute machen?“, fragt er nach dem Frühstück. „Shoppen“, antworten wir aus einem Mund und klatschen uns ab. Widerstand ist zwecklos, das weiß auch Papa, weil wir uns sonst ständig streiten oder über Langeweile klagen. Trotzdem packt er die Strandmuschel, die Liegedecke und das Beachball- Spiel zusammen und verstaut alles in unsere Salewa- Rucksäcke. Die geschmierten Brötchen und den aufgebrühten Tee trägt er in einem Stoffbeutel mit Delial- Aufdruck.
Im einzigen Laden hat das ehemals samtweiße Holzpaneel bereits einen bahama- beigen Ton angenommen. Postkarten mit Zackenrand erzählen Legenden aus Wilhelminischen Zeiten. Dutzende Stocknägel mit Strandkorbmotiven und Insel- Silhouetten reihen sich in kleinen, offenen Schächtelchen. Leuchttürme in allen Größen von der F- bis zur A- Jugend, Schneekugeln, Bernsteinfigürchen, Buddelschiffe und ganze Kutterflotten verteidigen ihre Regalwand gegen eine Korblandschaft aus plüschigen Wattwürmern, Möwen und Seehunden fernöstlicher Produktion. Papa versucht ständig, unser eigenes Taschengeld zu sparen. Wir hätten genug Playmobil zu Hause. Aber eben keinen Riesenkraken, der Wasser spritzen kann! Dann meint er, das Wellenbrett sei zu groß, das kriegten wir in keinen Koffer rein. Oder die Ritterfestung sei zu teuer, das Aufblaskrokodil zu gefährlich. Muscheln, Seesterne und Kescher hätten wir noch vom letzten Urlaub zu Hause, im Keller!
Boah, ich habe echt keine Lust mehr und kaufe mir einen Zungenmalerlutscher und saure Colabonbons und gehe mit ihm an den Strand.

Und es hört nicht auf, sondern geht noch weiter!

Zimmer frei

Sie wusste nicht, wie sie in dieses Zimmer gekommen war. Allem Anschein nach war sie eingeschlafen, obwohl es grade erst Abend wurde. Sie lag auf einem Sofa, jemand hatte ihr eine Wilde – Kerle – Decke übergelegt. Vorsichtig versuchte sie aufzustehen, aber sie war zu schlapp und sackte wieder zurück. Langsam, als könnte etwas kaputt gehen, schaute sie sich um. Ihre Augen mussten sich erst an das dämmrige Licht gewöhnen. Es war ein kleiner Raum mit furnierten Jugendzimmermöbeln und einer quietschgrünen Tapete mit Fix- und Foximotiv. Oma Eusebia drosch grade mit dem Nudelholz auf ihren nixnutzen Enkel Lupo ein. Ein Diercke Weltatlas mit braunem Textileinband ruhte auf einem Regalboden unter dem Einbauschreibtisch. Meyers Lexikon von A – Z stützte eine lange Reihe von Pitje Puck Bänden. Eine orangefarbene Liebe ist…- Kerze zielte genau auf das Polizeiauto von Playmobil im Fach darüber. Der Deckel einer Truhenbank stand offen und ein Monchichi schaute putzig heraus. Überall auf dem grob gemusterten Schlingenteppich lagen wild verstreut fischertechnik – Teile und Anleitungen. Ein roter Kleinwagen war in einen Unfall verwickelt, die Windschutzscheibe war dabei zersplittert. Eine Traube Plastiksoldaten stand drum herum und glotzte doof. Die Raupe Nimmersatt fraß sich grade durch ein Törtchen, für Kapitän Blaubär war nichts mehr übrig, der kleine Tiger war krank und ein Murmeltier vom letzten Weltspartag kuschelte mit einer Porzellanmöwe.
Dann hörte sie draußen Schritte und Stimmen. Durch einen Spalt in der Tür schob sich ein größer werdender Lichtkeil ins Zimmer. Mucksmäuschen still hielt sie den Atem an und kniff die Augen zusammen. Es raschelte und murmelte, dann fiel die Tür wieder ins Schloss. Ohne sich doch noch bemerkbar machen zu können, sank sie in den Schlaf zurück.
„Leihen?“, schrie Eusebia, „Dir? Nein, mein Lieber! Wenn du Geld haben willst, musst du es verdienen!“ „Aber Oma, es ist doch nur, weil .. Lupinchen hat Geburtstag!“, stammelte Lupo. Aber Oma kannte kein Erbarmen und jagte ihn zum Haus heraus. Nichts wie weg! Der arme Kerl wollte nur noch zurück in seinen alten Turm, sprang in sein Auto und brauste davon. Er konnte einem kleinen Äffchen, das plötzlich vor ihm auftauchte, nicht mehr ausweichen und fuhr vor eine Bonduelle – Litfaßsäule. Sofort strömten Dutzende Schaulustige von überall her zusammen. Ein dicker Mann in grüner Daunenjacke stopfte sich einen Muffin in den Mund, eine Frau im Pelz blickte vom Geldautomaten auf. Schon brauste ein Polizeiwagen heran. Ein großer, stattlicher Schutzmann stieg aus und rief: „Ahoi, ihr Landratten, alles im Lot auf ‚em Boot?“
„Pst“, machte da eine Kinderstimme und stellte einen Teller heiße Bouillon auf den Tisch am Sofa, „Mama ist doch an der Bushaltestelle eingefroren und hat sich verkältet!“

Dies ist mein Beitrag zu Donna’s Schreibprojekt.

Adventskalender

Bald Jetzt ist es wieder soweit.
Schokoladenadventskalender werden schon vorm Frühstück geplündert, kleine selbstgenähte Filzbeutel lieblos aufgerissen, duftende Miniaturfläschchen versprüht, Hartplastikteile von Lego, Playmobil oder Polly Pocket verstreut oder Hot Wheel – Karawanen ziehen quer durch die Küche.

Wie besinnlich ist es da doch, meinen Adventskalender gemeinsam zu füllen!
Dazu bitte die Kommentar – Funktion benutzen!

Nun hier der angekündigte Cartoon von karicartoons zum Zimtdöner, der im 6. Törchen steckt:

Ruhe

Ich möchte die Sonne am Horizont zischend und brodelnd im Meer verschwinden hören. Ich möchte ihrer stillen Lebendigkeit lauschen.
Wie mit dem Kopf halb unter Wasser, wenn ich zwischen Playmobil- Booten der Kinder in der Badewanne liege. Nur Augen und Nase schauen noch heraus. In den Ohren knistert Badeschaum, Hitzeschwaden steigen aus dem Wasser empor. Alle Geräusche verschwinden. Ich schließe meine Augen.
In meinem Kopf entsteht eine Musik aus einem vergangenen Jahrhundert. Unter der heißen Sonne prescht das riesige Schiff über das weite Meer. Die Masten stöhnen und ächzen unter der Last des Windes in den Segeln. Der Bug sticht tief in die Wellen, Gischt spritzt hoch empor. Der Kapitän blinzelt ins helle Licht, brüllt den Matrosen ein paar Befehle zu. Schon kurze Zeit später liegt das Schiff wieder ruhiger in der See. Der Kapitän geht zurück unter Deck.
Ich tauche auf und öffne die Augen. Mein Badezimmer schwimmt. Ich ziehe mich an, mache die Moby Dick- CD aus und schließe die Tür zum Kinderzimmer. Endlich Ruhe!