Blind Date

Warten ist nicht wirklich meine Stärke. Die Zeit bummelt so herum und lässt mich ungefragt im Café hocken. Sie sagt mir nicht einmal Bescheid, wenn sie sich verspätet, sondern sie tut das einfach. Ich habe keine Ahnung, was ich dann tun soll. Aufstehen und gehen oder ihr die letzte klitzekleine Chance einräumen, doch noch zu erscheinen? In Wahrheit weiß ich es nur zu genau: Nie ist sie pünktlich. Sogar bei der Deutschen Bahn wäre sie längst gefeuert worden.
Aber wie heißt es so schön? Das Leben ist kein Ponyschlecken oder so ähnlich.
Ich frage mich, ob sie mich bereits entdeckt hat, ohne sich selbst zu erkennen geben. Vielleicht steht sie feixend an irgendeiner Ecke, schleckt ein Eis und lästert mit ihren Freundinnen, wie doof ich bin! Ja, so sind sie! Und ich mache hier den Deppen, trinke einen koffeinfreien Milchkaffee statt einer Bacardi-Cola. Dabei hätte ich die Sache am liebsten schon hinter mir. Dann müsste mich nicht mit schweißnassen Händen an der Tasse festhalten und in jedes Gesicht gucken, das an mir vorübergeht.
Vielleicht hast du dich ja auch verkleidet und wolltest erst einmal sehen, was ich für ein Wichtel bin. Ich kann es dir sagen: ein ganz Sensibler! Das sollte ich in meinem Profil ergänzen und dafür bei dir Pünktlichkeit streichen. So weiß der Nächste wenigstens, worauf er sich einlässt und kann eines mitbringen, was mir offensichtlich fehlt: Geduld.
Bis später!

Dreizack

Der Wind hängt schwer in den Segeln. Tief sticht der Bug in die schwarze See. Die Mannschaft wimmelt emsig auf Deck. Ratten huschen durch ihre Beine auf der Suche nach einer Mahlzeit. Die Sonne versinkt soeben am Horizont, die Nacht kündigt sich trüb und kalt an.
Unten in seiner Kajüte rollt der Kapitän eine Seekarte auf seinem wuchtigen Tisch aus und zähmt die Widerspenstige mit einem Tintenfass und einem schweren Goldring. Unruhig geht er hin und her. Die halbe Mannschaft ist an Skorbut erkrankt. Doch seit auch sein Steuermann und Freund Bartolomeu fiebernd mit dem Leben ringt, hat er kein Auge mehr zugetan. Übermüdet streckt er sich. Dann beugt er sich über die Karte und guckt sich die bisherige Route skeptisch an. Ihm fehlt der Anhalt, wo genau sie sich befinden. Er ist ein großartiger Seemann und hervorragender Taktiker in jeder Schlacht, die Mannschaft nennt ihn deswegen ehrfürchtig Neptun, aber mit der astronomischen Navigation an Sonne und Sternen steht er auf Kriegsfuß. Verzweifelt nimmt er noch einmal den Stechzirkel und schlägt einige Bögen auf der Karte von ihrer letzten bekannten Position aus. An der Stelle, an der er ein kleines Kreuz einzeichnet, ist die Karte im Umkreis von 200 Seemeilen blau. Verzweifelt stützt er den Kopf in die Hände. Sein einziger Vertrauter in dieser Misere ist der Smutje Mo und der ist dem Alkohol zugetan wie der Teufel der sündigen Seele. Wütend wischt er die Karte mit einem Bärenhieb vom Tisch, als es an der Tür klopft. „Ja“, brummt er. Mo poltert aufgeregt in die Kajüte, „Käp’tn“, stammelt er, „kommen Sie schnell!“ Noch ehe er eine Antwort bekommt, stürmt Mo auch schon wieder an Deck. Der Kapitän stampft hinterher. Im Dämmerlicht der heranbrechenden Nacht stolpert er über Holzstücke und Metallteile, die überall auf den Planken herum liegen. Die Mannschaftstraube verstummt und gibt eine Gasse frei, als sie ihren Kommandanten bemerken. Sechs mastdicke Arme halten dabei den tobenden Steuermann in Schach. „Was ist hier los?“ Keiner der Maaten wagt es zu sprechen. Mit einem lauten Krachen zertritt der Kapitän eine Backskiste. Dann endlich traut sich Mo: „Er hat in seinem Fieberwahn die letzten Fässer mit Trinkwasser zerschlagen!“ „Hängt den dreckigen Wichtel auf!“, ist Neptuns erster Impuls zu sagen. Doch dann besinnt er sich, vielleicht ist Bartolomeu der einzige, der sie noch retten kann. „Bringt ihn nach unten und gebt ihm von dem, was noch übrig ist, zu essen und zu trinken!“, knurrt er und stiert dabei jeden mit dem kalten Blick eines Henkers an. Angstvoll schauen die Männer zur Seite, keiner sagt ein Ton. Jeder weiß, dass er selbst statt des Steuermannes am Mast hängen könnte, wenn er sich dem Befehl des Kapitäns widersetzt. Neptun dreht sich um und verschwindet wortlos nach Achtern zum Steuerrad. Er scheucht den Rudergänger fort, übernimmt seinen Platz und starrt in die Dunkelheit. Lange steht er da, unbeweglich wie eine Galionsfigur. „Zum Klabauter!“, murmelt er plötzlich und spuckt ins Wasser, erst jetzt bemerkt er den aufziehenden Sturm. Schon brechen hohe Wellen über dem Schiff zusammen. Die Mannschaft hat mit Neptun schon viele Abenteuer überstanden, aber jetzt sehen sie den Sensenmann schon blinzeln. Zum Segel reffen und Abwettern ist es zu spät. Kurzentschlossen stellt Neptun das Schiff in den Wind. Es bäumt sich auf wie ein verwundeter Stier. Dumpf knarren die Masten unter der Last. Die Taue sind bis zum Zerreißen gespannt. Die Winschen jammern und ächzen, die Spanten bellen hungrig. Mit einem lauten Schlag reißt sich das Rahsegel am Fockmast los. Mit letzter verzweifelter Kraft klettert Afonso, sein Bootsmann, den Mast hoch und schafft es, das Segel loszuschneiden. Peitschend frisst der Sturm sein erstes Opfer. Afonso schaut hinterher, als ein Blitz krachend den Nachthimmel für einen kurzen Augenblick erleuchtet. „Land!“, schreit er, „“Land in Sicht!“ Ungläubig rennen die Männer zur Reling und starren aufs Meer. Doch in der Dunkelheit können sie nichts erkennen. Neptun brüllt: „Auf eure Posten!“ und nimmt Kurs in die Richtung, die ihm Afonso gezeigt hat. Das Schiff dreht sich nur störrisch, immer wieder driftet es ab. Dann endlich tauchen tatsächlich Schatten in der Dunkelheit auf. Langsam schieben sie sich näher. Gaffend und feixend stehen die Männer zusammen. Plötzlich bekommt das Schiff Schlagseite. Wie von einem riesigen Seeungeheuer getreten sackt es zur Seite. Wer sich nicht halten kann, wird umhergewirbelt oder von Bord geschmissen. Neptun reißt das Ruderrad herum, er muss das Schiff wieder in den Wind stellen, damit es sich aufrichtet. Schon rollt die nächste Welle heran und droht das Schiff zu zerschlagen. Im letzten Moment greift der Wind in die klammen Segel, hievt es in die Höhe und schiebt es vor der Welle her. Es gelingt Neptun, das Schiff in den Windschatten der Insel zu manövrieren. Dann läuft es knatschend und knirschend auf Grund auf. Die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Erschöpft starrt Neptun in die Dunkelheit.

In Saus und Braus

Die Nacht ist schwarz wie die fensterlose Besenkammer eines Mohres. Selbst der Mond hat sich aus Furcht verkrochen. Mich hat er hier vergessen, der feige Wichtel. Ich schaue mich um, ohne Orientierung wohin und wie oft ich mich schon im Kreis gedreht habe. Zweimal? Dreimal? Plötzlich höre ich das gierige Summen einer Mücke. Mit ihren Infrarotaugen hat sie sicher längst den leckersten Landeplatz auf meiner nackten Haut ausgemacht, während ich hier dumm mit den Armen herum wedele, als versuchte ich, einen Güterzug zum Stoppen zu bringen, weil ich mit dem Auto auf den Schienen liegen geblieben bin. Dann plötzlich schweigt die kalte Dunkelheit wie eine Adventgemeinde bei der Karfreitagsandacht. Meine  Bewegungen erstarren zu einem meditativen Tai Chi- Bild, bei dem der ehrwürdigen Altmeister Yáng Chéngfǔ Pate gestanden haben könnte. Mit voller Wucht und flacher Hand patsche ich mir auf mein rechtes Ohr. Der Güterzug leitet eine Notbremsung ein und pfeift dabei so laut, dass ich das leise Summen der Mücke nicht mehr höre.

Potpourri

Das wollte ich schon länger mal machen: Eine Geschichte schreiben, in der alle meine Schlagwörter („Tag-Links“, siehe am rechten Rand) mindestens einmal vorkommen. Ich probiere es mal alphabetisch!

Es ist Heiligabend. Soeben öffne ich das letzte Törchen vom Adventskalender. Was ist das denn? Ich traue meinen Augen nicht: Ein kleines Schokoladenauto. Und wer steigt grade aus? Der Bofrostmann! Wo will der denn so spät hin? Will der etwa noch Tiefkühl- Brötchen ausliefern? Wo denn? Hier in dieser unwirtlichen Gegend, mitten am Deich? Hier gehen die Eier zu Ende, die Frauen spielen Fußball und Haare wachsen am Horizont! Was in aller Welt hat der hier verloren? Leise schleiche ich ihm nach. Das gespenstische Licht des Mondes verzerrt die Schatten der Hühner im Garten von Kapitän Ahab zu einer Karawane Fleisch fressender Saurier. Plötzlich bleibt der Bofrostmann stehen und blickt sich misstrauisch um. Ich zucke zusammen. Hat er mich gesehen? Dämonisch sieht er aus, als würde er Kinder fressen. Ich fürchte um mein Leben, als er einige Schritte auf mein Versteck zugeht. Sein eisiger Atem stirbt in der klirrenden Kälte, kaum dass er sein Maul verlässt. „Ich bin ein Mann“ , denke ich, „zum Sterben ist jetzt keine Zeit!“ und laufe weg. Meine Schritte hallen in der Dunkelheit wie die Schläge des Belzebubs zum Altweiberfasching auf dem glühenden Amboss. Atemlos renne ich zum Meer. „Heiliges Murmeltier, steh mir bei“, schreie ich. Der graue Riese schmeißt unbarmherzig seine kalten Arme nach mir und spült Muscheln um meine Füße. Unsichtbare Möwen schreien durch die Nacht. Meine Nase saugt den salzigen Odem des Todes ein, in den Ohren knistert es nach zertretenem Playmobil. Das Radio in meinem Kopf spielt Julis „Woanders zu Hause“. Dann ist plötzlich Ruhe. Kognitiver Stromausfall. Unendliche Stille. Das Meer schweigt, als habe Neptun Mittagsschlaf verordnet und drohe jedem, der dieses Gesetz missachtet, mit einer Einzelstunde Eurythmie. Mit meinen Zehen presse ich den Sand in meinen Schuhen immer wieder zusammen, bis sich ein kleiner Damm darin bildet. Die Welt um mich herum ist stumm, wie in der Schule beim Englisch- Unterricht, mucksmäuschen still. Selbst die Segel eines trüben, vorüberziehenden Seelenverkäufers halten sich an das unausgesprochene Redeverbot. Ich fröstle.
Mit lautem Getöse poltert die Brandung Ruptus artig wieder los, glitschig wie Seife prescht sie mir ihre klamme Gischt ins Antlitz. Ich muss spucken und kneife die Augen zusammen. Als ich sie wieder öffne, brennt die Sonne, obwohl es eben noch stockfinster war. Bis zu den Knien eingegraben stehe ich am Strand, es ist heller Tag. Hinter mir entdecke ich eine schimmernde Tür. Das Wasser frisst gierig ihren Rahmen und drückt an die Buhnen.

Das Leben ist wie die Flut an Weihnachten“ , denke ich, „was die Welle nicht reißt, das reißt der Wichtel!“
In der Tür drehe ich mich noch einmal um und blicke ein letztes Mal zum Ende der Welt. Der Wind bläst mir ins Gesicht, das hält die Windschutzscheibe nicht.

Lehrer und anderes Gesindel

Jawoll, ich mag Lehrer nicht. Auf meiner Skala „Was ich nie werden will“ kommt dieser Beruf gleich nach Gebrauchtwagenverkäufer und Versicherungsmakler. Diese Reihenfolge war nicht immer gleich. Als ich noch zur Schule ging, brauchte ich kein Auto und keine Assekuranz und so war dies mein einziges Feindbild. Deshalb stand er damals auf Platz 1 (wie Arminia Bielefeld am 1. Spieltag in der Saison 2002/03 nach einem furiosen 3:0 über Werder Bremen). Ich kannte auch nicht so viele Berufe. Außer vielleicht Kaufhausdetektiv. So ein Wichtel hat mich mal erwischt, als ich ein Raider zurück ins Regal legen wollte. Irgendwann hat der Leerer dann aber doch an Boden verloren (Arminia auch, aktueller Stand: Platz 18 in der zweiten Liga und kein Ende in Sicht).
Wie kam das zu Stande?
Sicher weil die aktuellen Plätze 1 und 2 noch duchtriebener und ruchloser sind: „Nein, kannstu mir echt glaube, Zahnrieme is ganz neu! Selber gemacht!“ oder „Ach, die Waschmaschine hat gar kein Aquastop- System? Das ist aber laut AHB für eine Schadenregulierug Vorraussetzung!“
Aber ich sehe natürlich auch das Leid und die Not unserer Pädagogen: Die Schüler hören nicht mehr zu (Wer die Sprache der Schüler spricht, findet auch ihr Ohr!), sie sind ungeduldig (Jeden Tag 6 Stunden in zugigen und Asbest verseuchten Klassenzimmern bei knarzenden Türen zu hocken, ist auch kein süßes Leben. Seitdem habe ich dieses Asthma!) und sie kommen ständig zu spät (aber immer noch VOR den Lehrern!).
Dafür belohnen sich die Rotstiftfunktionäre mit 13 Wochen Ferien im Jahr bei einem Halbtagsjob, einer Verbeamtung mit Anspruch auf das 13. Monatsgehalt, beitragsfreie Pensionsansprüche und Privatversicherung mit Beihilfeberechtigung im „Gesundheitssystem“. Da bleibt dann tatsächlich noch Zeit und Grund zu jammern, daheim in der pädagogischen Asservatenkammer würden vor lauter Arbeit die Kakteen auf der Fensterbank vertrocknen .
Über ihre ehrenamtliche Tätigkeit in der Nachbarschaftshilfe und ihre eigene traumatische Schulzeit verlieren sie kein Wort. Warum eigentlich nicht?

Auf leisen Sohlen

Morgen ist schon wieder Dezember, und ich habe ihn immer noch hier herumliegen, diesen unsäglichen Adventskalender zum selbst Befüllen. Schon letztes Jahr wollte ich ihn in der Bucht verticken, bis die liebe Unterholzbewohnerin etwas angezettelt hat, was nicht wieder rückgängig zu machen war und mir jetzt eine liebe Tradition zu werden scheint:

Der literarische Adventskalender. Ohne Quartett.

Und das geht so: Jeden Tag darf er von den treuen und sporadischen, von den begeisterten und griesgrämigen Lesern meines Blogs, von großen und kleinen Wichteln gefüllt werden. Der Reihe nach. Morgen ist also das erste Täschchen dran. Da darf alles selbst Geschriebene und gut Gemeinte hinein. Alles, außer Last Christmas. Die gehen mir schon auf die Nüsse, bevor ich sie das erste Mal wieder im Radio gehört habe. Zum Füllen müsst ihr die Kommentarfunktion benutzen. Unmoderiert. Abends schmeiß ich dann doch alle Last Christmas- Links raus 😉

Viel Spaß und Frohe Weihnachten!

Love is in the hair

Ein Gang zum Friseur ist für mich wie ein Gang zum Proktologen: Ich will da nicht hin! Und das Schlimmste ist: Selbst für den Kopfgärtner brauche ich einen Termin! Wie mich das aufregt! Ich will mir ja schließlich nicht die Prostata entfernen lassen. Dass ich dafür einen Termin brauche, das leuchtet mir ein. Das ist ja keine Tür- und- Angel- OP. Da muss der Anästhesist ausgeschlafen sein und der Chirurg benötigt eine ruhige Hand. Sonst ist im Nu das ganze Gemächt mit ab. Der Operationssaal muss frei sein, die Notstromaggregate überprüft. Aber beim Friseur?! Da spielt es doch überhaupt keine Rolle, ob streunende Wichtel durch den Salon laufen und Oma Elli sich neue Locken in die Badekappe ziehen lässt oder Opa Gerd Läuse auf seiner Fleischmütze hat. Das geht alles gleichzeitig und sogar bei Kerzenschein! Also wozu in aller Welt brauche ich einen Termin bei den Perückenschafen? Die Haare wachsen doch auch ohne Vorankündigung. Ich kann heute doch noch nicht wissen, wie mir in der nächsten Woche der Kopf steht! Und dann wollen die mir immer noch irgendwelche Pflegeprodukte und Gespräche aufdrängen. Ich habe keine Schuppen, das sind Gedankenspuren und Intelligenzablagerungen! Und wenn meine Arme lang genug sind, um im Stehen zu pinkeln, werden sie auch noch bis zum Schädel reichen. Haare waschen kann ich selber! Mann oh Mann! Ich könnt mich vielleicht aufregen!
Ob das an meinem Eisprung liegt?

Deko-Stress

Es ist wieder soweit: Der Deko-Stress beginnt. Da kommt man nicht drumrum. Selbst wenn ich mir beim Autogramm von Oliver Kahn geschworen habe, Gott hab ihn selig, diesen Wahnsinn einfach zu ignorieren, basteln die Kinder in der Schule sicher etwas Tolles. Mit ihren Lehrerinnen wird da gemalt und geklebt, gehäkelt und geklöppelt, gefilzt und gefärbt. So werden Dutzende Pappsterne mit Bommeln, Engelchen zum Hinstellen, Wachstropfformen, verzierte Nadelgehölzzweige, rote Filzmützchen oder selbstgebackene knüppelharte Kekse, die unbedingt am Baum hängen müssen, stolz nach Hause getragen. Unsinnige Wichtelgeschenke werden angeschleppt und Nümmerchen für Adventskalender gezogen. Seitdem ziert unsere Küchenfensterbank ein kleiner Nikolaus mit Glitzer, der je nach Wetterlage seine Farbe verändert. Bei Regen oder Schnee ist er rosa und wenn die Sonne scheint, funkelt er blau. Nur Abwaschen kann er nicht. Na ja, beim Schrottwichteln in der Firma werde ich ihn wenigstens im nächsten Jahr wieder los!
Die Kinder schmücken zu Hause weiter bis die Wohnung aussieht wie die Asservatenkammer des Weihnachtsmannes: Kleine Rentier- und Wichtelkarawanen stolpern durch die selbstgebaute Winterlandschaft aus Styropor und die Krippe wird auf dem Fernsehgerät aufgebaut (ich dreh dann immer den Bass auf, bis der Esel umplumpst). Auf dem Küchentisch nadelt ein trockener Adventskranz, beim Auspusten der Kerzen spritzen Wachsflecken bis an die Tapete und den ganzen Tag dudelt aus dem Radio Rolf Zuckerdosis „Es schneit, es schneit, kommt alle aus dem Haus …“

Ich baue mir jetzt erstmal die Freistoßsituation in den Schnee, als Kamper dem Kahn einen indirekten Freistoß an der Mauer vorbei ins Eck knallt. Schön mit Schal und Trikot! Das war auch wie Weihnachten.

Novemberluft

Kalte Novemberluft schlug ihr entgegen, als sie vors Haus trat. Die Sonne blinzelte gold-rot durch das dünne Laubkleid der Bäume. Sie blinzelte zurück. Morgens hockte der Frost schon auf den Autoscheiben und aus den Nasen und Mündern stieg Drachenqualm empor. Das Gesicht zu einer Grimmasse verzogen, versuchte sie, ihre Brille zu beschlagen oder Rauchringe zu pusten.

In der Tristesse des Novembergraus sah sie aus wie ein Farbkaleidoskop: Kirschrote, kniehohe Lederstiefel, eine laubgrüne Wollstrumpfhose, einen kürbisorangenen Cord-Minirock, einen pfaublauen Pullover, einen zitronengelben Samtmantel und eine pflaumenviolette Strickmütze mit Pompons.

Ihre kleine Wohnung hatte sie herbstlich dekoriert: An der Tür baumelte ein Jutedrachen, Zierkürbisse lagen in einem Weidenkorb auf der Friesenbank daneben und auf den Treppenabsätzen standen Getreidegarben. Kleinen Holzwichteln, Elfchen und Zapfenigeln hatte sie aus Kastanien, Bucheckern und trockenem Laub auf dem Fenstersims in der Küche ein heimeliges Winterquartier geschaffen.

Neulich war es noch Sommer!

Dies ist mein Beitrag zu Donna’s Schreibprojekt.

Tellerrand

Auf dem Teller ist ganz klar: Die Welt ist eine Scheibe. Etwas verkehrt herum gewölbt. Das führt dazu, dass in der Mitte alles zusammen kullert. Dann wird es eng. Es bleibt immer weniger Platz. Aber je weiter außen, je größer die Geschwindigkeit (der Teller dreht sich ja bekanntermaßen) und umso größer die Gefahr, heraus geschleudert zu werden.

Und das geschah eines Tages plötzlich. Ein Krümel konnte sich nicht mehr halten und flog einfach über den Tellerrand hinaus, durch die Luft, über das Kuckucksnest hinweg, immer schneller, um dann als kristalliner Krümel mit einem lauten „Pock“ auf meiner Windschutzscheibe aufzuprallen, dabei einen circa 5 mm großen Krater zu hinterlassen und sich dann klammheimlich aus dem Staub zu machen. Mir fiel dann zum Glück diese Werbung im Radio wieder ein. „Ich muss ja auch bald zur Hauptuntersuchung mit meinem Auto“, dachte ich und suchte in meiner Tasche nach meinem Handy, um da anzurufen. Doch plötzlich hatte ich diesen Krümel in der Hand! Ich hatte ihn in seinem Versteck aufgestöbert. Diesen kleinen Miesepeter, diesen Wichtel, diesen Wurm! Hat wohl gedacht, ich fände ihn da nicht! Ha! Wie lächerlich! So etwas dumm- dreistes ist mir noch nie untergekommen! Sein Opfer auch noch verhöhnen und sich bei ihm verkrümeln! So ein Arschloch, dreckiges!

Ich wollte ihn grade zwischen Daumen und Zeigefinger atomisieren, als mir wieder einfiel: „Hey, wo willst du eigentlich hin?!“ Ich war dann bei junited wegen der neuen Windschutzscheibe. Das war echt toll. In nur zwei Stunden war alles fertig, ohne Dreck, ohne Lärm und ohne Krümel.