Unschuldig

Manchmal ist das Leben unübersichtlich und verwirrend. Ich weiß dann weder ein noch aus. Was ich auch tue, es fühlt sich irgendwie falsch an. Besonders suspekt und unheimlich ist mir die Liebe, denn ich kann beim besten Willen kein Muster oder Rhythmus darin erkennen, wer sich wann, wieso, warum und in wen verliebt. Noch viel schlimmer ist es, wenn es mich selbst ereilt. Dann brechen alle Dämme. Meine mühsam geschmiedeten Routinen geraten durcheinander, alles steht Kopf und nichts mehr passt zusammen.
Dabei wäre es ganz einfach, denn, wann immer ich mich so durchgerührt fühle, kann und muss ich davon ausgehen, dass ich verliebt bin.
Eigentlich.
Doch eigentlich brennt es auch nicht beim Wasserlassen. Und trotzdem musste ich als kleiner Junge genau diese verstörende Erfahrung einmal machen, als ich an den Weidezaun gepinkelt habe. Und so stehe ich noch heute dem Wörtchen Eigentlich eher skeptisch gegenüber, denn merkwürdigerweise lösen auch Hunger oder Angst dieses Kribbeln in meinem Bauch aus.
Und genau das ist auch mein Dilemma: Immer, wenn ich einer Frau begegne, weiß ich nicht, ob ich sie küssen, aufessen oder doch lieber weglaufen soll. Ein ums andere Mal führte das bereits zu polizeilichen Ermittlungen, wüsten Beschimpfungen oder Bisswunden.
Ich frage mich anschließend oft, was ich denn diesmal wieder falsch gemacht habe. Wie gesagt: Das Leben ist unübersichtlich und verwirrend.

Die Stille am Teich

Ich betrachtete die Stille. Kein Wind kräuselte das Spiegelbild. Irgendetwas stimmte da nicht …

Ich überlegte, was es wohl war. Irgendwie schienen die Farben blasser zu sein und die Geräusche klangen dumpf wie im Bauch eines alten Schiffes. Was war geschehen? Wo war ich? Ich saß zwar wie immer hier im Park auf meiner Bank, aber es war es nicht so wie sonst. Verunsichert guckte ich herum. Ich wollte wissen, ob es den anderen Menschen, die um den kleinen Teich wandern, auch so geht, aber was ich sah, irritierte mich erst recht: Sie gingen alle rückwärts, jedoch fiel das offenbar niemandem außer mir auf. Nur ich saß dumm rum und verstand die Welt nicht mehr.

»Was ist, wenn die Welt plötzlich eckig wäre?«, schoss es mir durch den Kopf, »kann sie sich dann noch drehen, oder schiebt sie sich bloß wie eine Schrankwand von Ecke zu Ecke?«

Misstrauisch starrte ich ein Pärchen an, das wie selbstverständlich rückwärts auf mich zu schlenderte. Dazu hätten sie allerdings vorher schon einmal an mir vorbeigegangen sein müssen. Aber warum kann ich mich daran nicht erinnern?! Ich schaute auf meine Uhr: Stolz und rebellisch drehte der Sekundenzeiger die Runden entgegengesetzt seines üblichen Tuns.

Mir fiel fast die Kinnlade in den Schoß, als sich plötzlich eine junge, verdammt hübsche Frau zu mir auf die Bank setzte und fragte: »Tsgam ud nie sie?«

Wieder blieb mir nichts anderes übrig, als ein blödes Gesicht zu machen. Das hier ging auf keinen Fall mit rechten Dingen zu. Irgendetwas stimmte nicht und ich wusste nicht, was.

Irgendetwas ist ja immer.