Strickpullover

Eine Bank in den Dünen bietet mir Zuflucht. Der weite Blick zum Horizont gerichtet, das Rauschen des Meeres liegt vor mir. Hier und da leise Vogelrufe, der Wind blättert knisternd Seiten in meinem Schreibbuch um. Die Welt ist rund, das kann ich von hier aus sehen, wenn ich mich im Kreis drehe. In der Ferne klingeln Glocken, als grasten irgendwo in einer Senke ein paar Schafe. Schäfer müsste man sein. Den ganzen Tag auf seinen Hirtenstab gelehnt den Gedanken nachhängen. Oder Schaf. Hier ein bisschen Klee, etwas Gras, ein Stängelchen schmackhaftes Heidekraut mümmeln, im Stehen pinkeln und sonst die Natur genießen. Was für ein Leben! Zwischendurch den ollen Schäfer auf Trab bringen, in dem ich so tue, als würde ich lahmen oder mir die Hörner am Fels abstoßen. Manchmal zuckt er gar nicht, dann muss ich noch eine Schippe drauflegen oder den Bock umstoßen, wie wir unter Schafen blöken. Mit gesenktem Kopf stürme ich schnaubend auf ihn zu. Nun wird der Bärtige doch kurz etwas hektisch und huscht elegant zu Seite, weil er mich natürlich längst durchschaut hat und genau weiß, dass ich niemals wirklich ausbüxen würde, denn ich habe ein gutes Leben und wo sollte ich denn auch hin? Ich muss nicht kochen, nicht abwaschen, nicht einkaufen und beim Rasenmähen werde ich sogar satt. Abends im Stall spielen wir noch ein oder zwei Runden Schafskopf und erzählen uns Blondinenwitze. Die wenigsten Wiederkäuer haben das so gut wie wir.
Und es wäre auch heute noch schön, wenn ich nicht eines Tages diese wilde Heidschnucke getroffen hätte. Sie hatte es irgendwie geschafft, oder sie war abenteuerlustiger als ich, sich davonzuschleichen, ohne dass ihre Herde oder der zottelige Schäferhund Alarm schlug. Nun stand sie plötzlich mitten im Schatten unter meinem Lieblingsbaum, als ich gerade ein Nickerchen halten wollte. Sofort wusste ich, das gibt Ärger. Sie sah nicht nur unverschämt gut aus, hatte blonde Locken und so, sondern sie verdrehte mir mit ihrem süßen Akzent auch gleich die Ohren. Als ältester und schlauster Bock hatte ich bis dahin das Sagen in unserer Herde und keiner wagte es, das in Frage zu stellen. Doch Schnucki, wie ich sie nannte, machte mich lammfromm. Ich pflückte für sie die leckersten Kräuter und fand für sie das frischeste Wasser. Alsbald verspotteten mich die Kollegen und gaben mir den Spitznamen »Shaun, das wars« oder, als wäre das noch nicht schlimm genug: »Shaun Connery«. Da aber war ich ihr längst verfallen und überlegte ernsthaft, Geheimagent zu werden oder mit ihr nach Neuseeland auszuwandern. Irgendwohin, wo es keine Schäfer und keine Schafe gibt. Ich bin ja nicht blöd.

360 Grad


Ich möchte gerne Leuchtturmwärter werden und von hoch oben über die Dünen bis zum Watt blicken. Dort möchte ich einfach nur warten, bis die Flut kommt. Ich habe nichts zu tun, keine Wäsche brennt an, das Meer rauscht. Ich höre eine Möwe rufen und der Wind flüstert mit Geschichten ins Ohr. Am Horizont kriechen kleine Schiffe im Schneckengang, die Sonne blinzelt und die Weite schlägt Purzelbäume. Rote Klinkerwege schlängeln sich durch die Landschaft und verschwinden hinter einem Hügel. Es ist so ruhig, dass ich das Watt bis hier oben knistern hören kann. Alles liegt mir zu Füßen, Sand rieselt mir aus den Schuhen und ich freue mich auf Bratkartoffeln am Abend mit meiner Liebsten
Dann endlich laufen die Priele zusammen, sie werden tiefer und bald lebe ich wieder auf einer Insel. Der Tag wandert bis zur Wasserkante, wo er noch einmal winkt und mir zum Abschied die Hand schüttelt.
Ich gehe langsam die 161 Stufen hinunter. Die Nacht legt sich wie ein Tuch über meinen Turm. Ich kann den Speck schon riechen.

Strandgut

Nach ein paar stürmischen und kalten Tagen ist wieder Ruhe eingekehrt. Handschuhe versüßen mir den Moment. Das Meer liegt sanft da, während es zuvor drohte, die Seebrücke umzuschmeißen. Das Toben der See und das Fauchen des Windes haben nachgelassen. Endlich nur ein friedliches Wogenplätschern. Andere Lichtempfindungen, andere Gedanken. Die Bank am Tisch ist frei, dafür mehr im Schatten als meine. Ich zögere noch. Solange sie niemand haben will, solange bleibe ich auch hier. Missgünstig eine Fliege verscheucht, die sich vorlaut an meinem Rucksack zu schaffen gemacht hat.
Doch den Platz getauscht. Schreibe nun am Tisch, ist einfacher. Es könnte wärmer sein, aber ich wollte nicht länger auf dem Zimmer sein. Klappse liegt weit weg. Da liegt sie gut. Am liebsten würde ich sie da auch lassen. Ich will nicht zurück, will etwas Neues. Suche und brauche Ruhe und Entspannung. Will diese verrückten Geschichten nicht mehr hören, machen mich alle. Will raus aus dem Molloch. Vielleicht ein Haus am See? Orangenbaumblätter liegen auf dem Weg. Wind kommt auf, Spaziergänger mit Hund. Schurrmurr. Miniaturen. Gedanken befreien, Stoffstückchen und Worte sammeln. Piratenflagge. Hau ab und lass mich in Frieden. Scheiß Töle. Auto fährt vorbei, Mülleimerdeckel schlägt zu, Vogel zwitschert. »Trinkpause, Keks essen.« Aber nicht hier an meinem Tisch, Gott sei dank! Pferd am Strand, reitet weg. Boot am Horizont. Gebell macht die Idylle kaputt. Menschen mit Hunden glauben, es sei normal und in Ordnung, wenn ihre Köter das tun. Der Kleinste ist der lauteste. Die Blonde war auch schon mal da, wählt aber eine andere Bank. Er kläfft weiter. »Ihr Hund freut sich auf das Meer«, wenigstens einer. Boah, ist das ein dämlicher Kläffer, hoffentlich ersäufst du.
»Ich habe Hunger«, schreit ein Blag. Ihr hättet auch gerne einen Tisch? Hahaha, leider bereits besetzt.
Mistdreck, da kommt noch einer. Man könnte fast meinen, ich bin am Hundestrand.
Nie bin ich alleine, irgendwas ist immer. Lasse die Gedanken fließen, zensiere sie nicht, sortiere sie nicht. Brauche Worte, Sätze, Ideen und Anregungen.

Klotz packt aus, Klotz räumt ein. Er sitzt da, starrt aufs Meer, will raus aus seinem Alltag, der ihn belastet, den er nicht mehr verarbeiten kann. Er sucht nach Auswegen und Lösungen, findet aber keine, dafür Krach und Hundescheiße. Es muss weitergehen, ohne Pause! Unsicheres Gegickere. Blond und blind. Wellen, Vögel.

Klotz kommt einen Moment zur Ruhe, lauscht den Geräuschen, fühlt sich wohl. Kalt zwar, aber er ist am Meer. Wo alles anders ist.

Der Kugelschreiber scheint bald aufgeben zu wollen. Einen Neuen zu kaufen scheidet aus, wo doch zu Hause die ganze Schublade damit voll ist. Die Füße auf den kleinen Absatz unter dem Tisch gestellt. Unter den geht aber auch. Da ist sie wieder, die Blonde. Bewegt sich, stellt sich in die Sonne, hinterlässt Fußspuren im Sand.

Klotz muss mittendrin sein, um schreiben zu können. Schreiben! Welch wunderbares Tun.

Sie schaut mich an, Ü40, wirkt dennoch verspielt, enge Jeans, debil? Nimmt ihr Rad, schiebt es an die Straße. Wieder fast alleine an meinem Schreibplatz. Eigentlich ist es zu kalt, Finger frieren trotz Handschuhen. Dehnungsübung am Geländer. Jetzt das andere Bein, ich könnte das nicht. Einen Kugelschreiber habe ich schon weggeworfen. Schade, dass ich mit die Anfangszeit des Schreibens nicht notiert habe, wäre gespannt. 45 Minuten noch bis zum Mittagessen. Hähnchenfilet Toskana oder so. Freue mich auf Wärme. Auto hält, Türen schlagen. Eindrücke aufnehmen, staccatoartig festhalten. Stoffmuster, Nähproben, einfädeln, sonst entsteht keine Geschichte. Was?! Geht weg, will nicht reden, will euch nicht zuhören. Brauche Flow, halte ihn aufrecht. Muss das tun. Muss es wegschreiben, damit Gedanken weg sind. Lila Mütze. Noch eine, dafür mit Puschel. Karopapier oder doch lieber Linie? Ich oder der Kugelschreiber? Wer von uns beiden gibt zuerst auf? Lange kann es nicht mehr dauern. Unzensiert sein dürfen. Das ist mir wichtig. Stehenlassen können. Weg ist die Aufwärmerin, gut so, Dummbatze. Hat mir nur den Blick aufs Meer verstellt. Vielleicht ist dem Kuli auch zu kalt. Sollte ich später mal googeln oder vorsorglich nach einem anderen die Augen offen halten. In der Sparkasse einen klauen, umlagern. Stehen da oben immer noch und quatschen. Haben die kein Zuhause? Schwarzer Van. Muss nun los, will nicht stoppen, friere aber durch. Rücken, Nase, zu kurze Socken. Fetter Arsch mit Rucksack. Laterne, schief, sieht sozialistisch aus.
»Warte, Papa will noch die Jacke zumachen!« Ja, dann mach doch und halt das Maul!
Paradoxerweise hätte ich nichts zu schreiben, oder weniger, wenn die Idioten nicht hier wären. Endlich verschwinden die Tratschtaschen. Das Kind weint.
Ich gehe meinen Weg zurück.

Wollnashorn

Manchmal ist der Schlüssel einfach verschwunden. Die Tür bleibt zu, wie vernagelt und verrammelt. Dann stecke ich in meinem Kopf fest und komme nicht mehr heraus. Alleine mit meinen Gedanken bin ich eingesperrt in einer schwarzen Höhle. Einmal am Tag geht unten an der Tür eine Klappe auf und ein Tablett mit einer lieblos zusammengeschusterten Mahlzeit aus Pappmaché und Hirse wird hindurchgeschoben. Meist sitze ich schon lange vorher kerzengerade davor und warte. Nicht um des Essens willen, nein, das ist es nicht wert. Ich warte darauf, dass durch den schuhkartongroßen Spalt für einen Augenblick etwas Licht in die Finsternis fällt und ich endlich weitermalen kann. Mein Wollnashorn muss fertig werden!

Aller Laster Anfang

Irgendwann hat es begonnen. Es war gar nicht so geplant, sondern es fiel mir eher in den Schoß, obwohl ich gar nicht saß. Keiner kann es bezeugen, weil keiner dabei war und ich selbst weiß ja auch nicht, wie und warum es geschah. Auf einmal war es halt da, als wäre es das schon immer gewesen. Und ich war glücklich und zufrieden damit, denn es fühlte sich gut an.

Doch eines Tages war es genauso plötzlich weg, wie es gekommen war. Ich suchte überall, in allen Schubladen, Skizzenbüchern und Schränken, sogar im Keller, in den ich eigentlich wegen der Spinnen nur höchst ungerne hinuntergehe. Ich war verzweifelt, gab Suchanzeigen in der überregionalen Zeitung auf und klebte Zettel an die Laternen in meiner Straße. Aber was ich auch anstellte, es blieb verschwunden.

Erst, als ich die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, klingelte es an meiner Tür und grinste mich an, als wollte es sagen: „Da bin ich wieder! Hast du mich vermisst?“ Ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder ihm die Tür vor der Nase zuschlagen sollte. Wie angewurzelt stand ich einfach da und starrte es an. Es ahnte wohl, dass jetzt nicht die Zeit für belanglose Worte war und schwieg.

Minutenlang geschah nichts. Nur es und ich stumm auf dem Treppenabsatz.

„Ich hätte mich gerne von dir verabschiedet“, sagte ich schließlich, „aber wenn der Hund tot ist, begräbt man ihn besser!“ Dann nahm ich es ein letztes Mal in den Arm, ging, ohne mich umzudrehen und auf eine Antwort zu warten, ins Haus zurück und schloss hinter mir die Tür.

Augenblick

Wenn es um mich herum wieder einmal rundgeht, schließe ich die Augen und beginne in meiner Phantasie zu wandern.
An manchen Tagen auf so einer Reise bin ich 14 Jahre alt und fiebere dem ersten Mal entgegen, an anderen bin ich 52 und wäre gerne 14. Ich kann der Held am Vormittag sein, dann ein kurzes Schläfchen halten und am Abend von einer rothaarigen Fee gerettet werden. Ich laufe durch das endlose Watt, spüre die Sonne auf meiner Haut oder liege im grünen Gras und höre das Laub rauschen. Nichts stört, nichts zwickt oder drückt.

Meistens aber fehlt mir die Zeit zum Träumen. Von der weiten Welt und den kleinen Augenblicken. Von einem Karmann Ghia Cabriolet, einem eigenen Atelier, einem Haus am Meer mit Olivenbäumen im Garten oder von der großen Liebe, die mich noch einmal küsst.
Manchmal, wenn ich daran denke, habe ich Angst, es zu verpassen, weil ich die Augen zu habe. Dann wünsche ich mir, die Erde wäre eine Scheibe, mit einem Zaun am Horizont, damit ich nicht falle.

Brennerpass

Österreich. Ein Land voller atemberaubender Berge, Almhütten und Kühen.

Das Schönste aber an Österreich ist, dass auf der südlichen Seite la dolce vita ihre Arme ausbreitet.

Dort, wo die unterrgehende Sonne die Zypressen am Horizont im Wunderkerzen verwandelt, es auf der kleinen Piazza nach Olivenöl und Bruscette duftet und schon die Luft nach Limoncello schmeckt. Dort möchte ich eines Tages auf einer kleinen Bank sitzen, Pfeife rauchen und einen wunderbaren Primitivo trinken.

Selbst, wenn ich dafür erst durch Österreich muss.

Weißichdochauchnicht

Manchmal da glaube ich, es wäre schön, noch einmal auszugehen und Menschen zu treffen. Doch irgendwie hält mich etwas davon ab, das zu tun. Die Zeit schleicht dahin und ich treffe keine Entscheidung, sondern warte ab, was passiert. Aber was soll geschehen? Es wird mich niemand abholen und mit vorgehaltener Waffe in die Kneipe schleifen.

Ich gucke auf die Uhr und denke mir: »Später!«

In der Zwischenzeit bummele ich herum, esse, trinke, gehe an den Rechner, höre Musik, mache die Wäsche oder schaue fern. Vielleicht rufe ich sogar jemanden an, lege dann aber schnell wieder auf oder bin irgendwie doch froh, dass keiner abhebt. Dabei möchte ich eigentlich los, drehe aber im Kopf Kurzfilme, wie der Abend wohl laufen würde. Es könnte niemand da sein, den ich kenne, es könnte ausverkauft sein oder regnen. Sicherheitshalber checke ich alle Vorhersagen und bin erleichtert, wenn ich irgendwo eine Niederschlagswahrscheinlichkeit von 5% entdecke, und sei es erst in zwei Tagen und in Hessen. Nein, dann lieber nicht, dann bleibe ich besser daheim. Beim letzten Mal, und das ist keine drei Jahre her, bin ich so nass geworden, dass der Kinoabend ins Wasser gefallen ist. Nein, dass soll mir diesmal nicht passieren. Und trotzdem gibt es da diesen klitzekleinen Gedanken, es könnte ja doch schön werden und ich verpasse etwas, ich alter Stubenhocker. Morgen ist Samstag, ich hab keine Termine und Verpflichtungen und kann ausschlafen. Aber irgendwie hängt mir der Arbeitstag noch in den Knochen und ich bin so schlapp, dass ich sofort ins Bett gehen könnte.

„Ach komm, jetzt lass dich nicht so hängen“, sage ich zu mir selbst, „schlafen kannst du genug, wenn du tot bist!“

Und dann stelle ich mir dieses aufregende Gefühl vor, wenn SIE auch da ist. Wir unterhalten uns so angeregt wie beim ersten Mal und fahren zusammen nach Hause. Vielleicht ist es einer der letzten warmen Tage in diesem Jahr, morgen regnet es wieder und die Chance ist vorbei. Ich weiß ja sogar, dass SIE heute Abend da ist. Wovor habe ich Angst? Genau davor, dass es nicht so wird. Dass der Zauber nur eine Illusion war und sich nicht wiederholen lässt. Und dafür soll ich jetzt noch aus dem Haus gehen? Wo kann ich denn überhaupt parken? Da ist doch sicher alles besetzt und ich muss wieder so weit laufen. Warum holt mich keiner ab? Warum ruft keiner an? Dabei hätte ich grade heute Lust. Lust auf Kribbeln im Bauch und Sex im Kopf. Dann erinnere ich mich, dass genau das meine ganz alte Falle ist. Das hat doch noch nie geklappt und spielt sich nur in meiner Phantasie ab. Am Ende schleiche ich wieder benommen und alleine nach Hause. Wie jedes Mal. Das lohnt sich nicht. Da esse ich lieber noch ein paar Chips und trinke ein Bier auf dem Sofa. Das ist spontane Bedürfnisbefriedigung und funktioniert immer, ohne Wenn und Aber. Diese Strategie hat mich noch nie im Stich gelassen, sie ist zuverlässig wie Wahlversprechen der CSU. Doch wer wählt die schon? Soll ich oder soll ich nicht? Ich kann mich nicht entscheiden.

Ich muss es auch nicht mehr, es ist Viertel vor zwölf, SIE ist sicher schon weg.

PS: Dieser Text ist rein literarischer Art, er trifft NICHT mich zu.

Das Leben ist kein Ponyhof

Als ich noch ein kleiner Junge war, wollte ich Feuerwehrmann werden. Doch als irgendwann einmal unser Esszimmertisch durch meine Schuld brannte, haben mir meine Eltern verboten, auch nur in die Nähe einer Flamme zu gehen. Ebenso befanden sie, Zinnsoldat sei nichts für mich. Schließlich müsse ich dabei den ganzen Tag stillstehen und das könne ich keine fünf Minuten, ich sei ein Hans Dampf in allen Gassen. Aber Eisenbahnfahrer fand ich wiederum doof, da kann man ja nicht lenken.
So entschied ich mich dann eben, König zu werden und den Kies auf dem Garagendach zu harken. „Kies regiert die Welt“, sagte mein Papa immer. Wie so oft, kam es wieder einmal anders, denn er erwischte mich, dachte augenscheinlich an seinen Esszimmertisch und nahm mir die Krone und die Harke einfach weg. Ich solle lieber für die Schule lernen. Mich interessierten aber die längsten Flüsse und Primzahlen überhaupt nicht, ich fand dafür Anke prima und ihre langen Haare. Sie wohnte in einem von den Reihenhäusern gegenüber und gingen in die gleiche Klasse. Schon morgens schrieb ich ihr Zettelchen, zählte Gänseblümchenblätter ab und berechnete aus den gemeinsamen Vokalen unserer Vornamen die Wahrscheinlichkeit für unsere Hochzeit. Erst viele Jahre später erfuhr ich, dass das alles Quatsch war, denn umgekehrt hätte eine Xerxes am besten zu mir gepasst, die ich gar nicht kannte, auch nicht aus der Parallelklasse.

Urknall

»Jetzt fang endlich an!«, sagte meine Lehrerin oft zu mir, wenn ich wieder einmal Löcher in die Luft oder aus dem Fenster starrte. Sie konnte ja nicht wissen, dass ich längst begonnen hatte, diese kleinen wandernden Punkte und Fäden vor den Augen zum Stillstand zu bringen, um sie besser zählen zu können. Kaum hatte ich es dann geschafft, schlug sie mit der geballten Faust so auf den Tisch, dass dabei alles wie in einem Sturm durcheinander wirbelte und ich von vorne beginnen musste.
Eines Tages, ich war exakt bei 112.387 angelangt und hatte nur noch 2 Körnchen vor mir, flog ein Stückchen Kreide geradewegs auf mich zu. Meine so mühsam erschaffene Weltordnung geriet ins Taumeln und Trudeln, sie wackelte und wankte, sie rutschte und ruckelte und schließlich explodierte sie mit einem lauten Knall.

Und plötzlich wusste ich, dass zwischen Genie und Wahnsinn manchmal nur der Boxhieb oder der Kreidewurf eines besserwisserischen Ignoranten liegt. Oder beides.

Mein Schweinehund namens Carpe Diem

Da soll mir noch einer erzählen, ich würde die Gelegenheiten nicht nutzen die sich mir im Leben so bieten. Das ist völliger Quatsch und sogar Bullshit, oder auf Deutsch: Ochsenpisse.

Wenn es zum Beispiel regnet, bleibe ich im Haus und überlege, was ich alles machen könnte, wenn jetzt die Sonne schiene. Das finde ich weitaus sinnvoller, als mich draußen zu grämen, dass ich klitschnass bis auf die Knochen bin und nicht weiß, wohin.
Und ist mein Kühlschrank leer wie ein Fußballstadion drei Stunden nach Abpfiff, drehe ich einfach das Birnchen heraus, so muss ich das Elend wenigstens nicht auch noch sehen. Dem Nachbarn hingegen, bei dem es so lecker aus dem Fenster riecht, bringe ich genau dann DIE Eier zurück, die mir vor mehreren Wochen geliehen hat.
Oder angenommen, ich habe tatsächlich einmal einen Strafzettel unter meinem Scheibenwischer, so bleibe ich gleich den Rest des Tages umsonst dort stehen, mache derweil in aller Seelenruhe meine Einkäufe in der Stadt, lasse mich frisieren und liften und zeige jeden dämlichen Falschparker beim Ordnungsamt an.
Und wenn wirklich wieder alle Unterhosen in der Wäsche sind und sämtliche Socken Löcher haben, dann denke ich daran, wie schön es wäre, jetzt nackt durch den Regen zu laufen.

So einfach ist das Leben, carpe diem!

So isses!

Die Tage werden schon wieder merklich dunkler und die Bäume im Garten verlieren ihr Laub. Morgens ist die Windschutzscheibe beschlagen und es dauert sicher nicht mehr lange und ich muss das erste Mal kratzen. Lebkuchen uns Spekulatiuskekse erobern bereits die Supermarktregale und ich überlege, in welchen Farben ich die Tanne wohl diesmal schmücke. Es ist Zeit, die Skianzüge aus dem Keller zu holen, die Schlittenkufen zu wachsen und den Silvesterpunsch aufzusetzen.
Am besten wird sein, ich mache das jetzt gleich und warte nicht noch länger damit.
Ich bin sonst immer zu spät dran und dann gucken die Nachbarn so komisch. Aber dieses Jahr nicht. Nicht mit mir!

Durchgangszug

Es gibt Tage, die huschen ohne Halt in Windeseile an mir vorbei, als gäbe es kein Morgen. Abends frage ich mich dann, wo sie geblieben sind.
Es gibt aber auch Tage, die bleiben schon morgens einfach liegen und schlafen aus. Erst am späten Nachmittag erwachen sie und mir wird plötzlich klar, dass ich immer noch nicht gefrühstückt habe, der Kühlschrank leer ist und die Bäckereien längst geschlossen sind. Und dann frage ich mich, warum mich keiner geweckt hat?!

Falscher Irrtum

Das Telefon schweigt schon seit Wochen und dein Geruch in meiner Welt wird immer dünner. Ich habe solche Angst, dich eines Tages nicht mehr riechen zu können und habe mir deswegen bereits vor geraumer Zeit zwei Dutzend Gefrierbeutel damit gefüllt. Doch mit jedem Moment, den ich deine Stimme nicht höre, steigt mein Verbrauch. Mein Vorrat geht langsam zu Neige und ich atme nur noch im Viertelstundentakt. Nach meinen aktuellen Berechnungen halte ich durch bis Sonntag nachmittag, dann ist Essig und mein Säure-Basen-Haushalt kippt endgültig um.
„Aus die Maus, finito, Abstieg“, höre ich den Sensenmann schon jubeln.
Aber so einfach möchte ich ihm das nicht machen, denn erst am Ende wird die Zeche geprellt, nicht zwischendurch. Bis dahin möchte ich Gefriertüten zuknoten mit dir.

Frei sein

Ich möchte frei sein wie das Gras in den Dünen, wie die Wolken am Horizont. Ich möchte mich auf einer Bank niederlassen, in den Tag träumen und die Füße von mir strecken. Die Sonne wärmt mein Gesicht und der Wind schmeckt nach Salz. Meine Gedanken können verweilen, wo sie sind, sie umhüllen mich wie eine weiche Decke.
So möchte ich gerne leben, frei wie ein Kurzdeckenbock im Frühlingsgras.

Auf Messers Schneide

So, da liege ich nun, diese Kartoffel war wohl meine letzte. Es hat einfach „Knack“ gemacht und mir das Rückgrat gebrochen. Noch nicht einmal achtlos, sondern fauchend und fluchend werde ich in die Ecke geschmissen. Bespuckt und beschimpft, ich bin wohl nichts mehr wert. Ja, es mag wohl stimmen, für ein Messer ohne Klinge gibt es wahrlich nicht mehr viele Verwendungsmöglichkeiten. Doch was soll ich denn machen? Kleb mir doch bitte eine und leg mich zurück! Darüber würde ich mich sehr freuen. Vielleicht könnte ich dann sogar die Gabel, dieses spitze Flittchen, endlich kennenlernen, die lediglich ein einziges Mal neben mir in Besteckschublade lag. Aber als wir uns so Griff an Griff in der Mulde aneinander schubberten, bin ich so richtig scharf geworden und dachte nur: „Hoffentlich geht jetzt nicht das Licht an!“ Ich habe mich einfach nicht getraut sie anzusprechen und am nächsten Morgen war sie dann verschwunden. Kein Zettel, kein Anruf, kein nix! Ich war ganz schön enttäuscht. Eines Tages habe ich gehört, dass sie mit dem Korkenzieher, diesem Dünnbrettbohrer, zusammen sein soll.

Angstwut

Manchmal ist in meinem Kopf so wenig Platz, dass ich alles, was nicht niet- und nagelfest ist, bei eBay verkaufe, aktiv vergesse oder gnadenlos wegwerfe. Selbst Geschichten, die gestern erst geschehen sind, können heute schon Ballast sein, der mich abhält, nach vorne zu schauen und den Aufstieg auf den Olymp zu schaffen. Nur selten passiert es mir dabei, dass ich doch das eine oder andere Stückchen davon gerne wieder hätte. Aber das hat mich nie wirklich gestört, denn es ereignen sich ja täglich neue Überraschungen, die mir den Kopf zumüllen. Und deswegen finde ich es sinnvoller zu vergessen. Wo soll ich auch hin mit dem alten Rotz in meiner kleinen Einzimmerwohnung der Erinnerungen? Da müssen manche Sachen eben auf der Strecke bleiben.
Es ist wie auf einer Party: Die Gäste kommen und gehen, der Alkohol fließt in Strömen, wir rauchen Kette und reden über Fußball. In der Küche stapeln sich durchweichte Pizzakartons und braune, angetrunkene Flaschen reihen sich dichtgedrängt an­ei­n­an­der wie Arminiafans in der Südkurve. Irgendwann schütten wir uns einen Schlummerschluck zusammen, pflücken die Zigarettenfilter aus dem trüben Gesöff, exen die Brühe und legen uns auf den Boden zum Pennen. Am nächsten Morgen dröhnt der Schädel wie ein Bohrhammer und die Knochen tun weh, als hätten wir unter einem Elefanten geschlafen. Das Bad ist für eine Woche unbewohnbar, aber zum Pissen im Stehen reicht es. Abends kommen ein paar neue Freunde zum Restetrinken und wir kotzen gemeinsam in die Regenschirmkanne. In der Erinnerung war es trotzdem ein rundum gelungenes Fest.

Ich mag es einfach, wenn die Dinge noch eine Ordnung und Bezug zueinander haben. Ich will mich darauf verlassen können, dass Bier seit 1516 nur mit bestem Hopfen, Hefe, Malz und Wasser gebraut ist. Deswegen verdränge ich die Realität, dass es Sorten gibt, die besser im Süßwarenregal stünden und nach bunter Zuckerwatte schmecken. „Pfui, wer so etwas trinkt, der wählt auch Trump“, sagt mein Wirt immer und ergänzt dann, nach einer kleinen andächtigen Pause: „Der letzte Schluck sollte ein Herforder sein.“ Da hat er Recht. Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Pils, aber nicht an meine erste Kola.

Und das ist genau das, was ich meine: Es gibt so viele Dinge, die es sich gar nicht zu merken lohnt. Das, was ich darüber hinaus noch rauskehre, bis die Hirnstube leer ist wie ein ostdeutscher Supermarkt vor der Wende, sind unwichtige Kollateralschäden. Was gestern war, ist vorbei und kommt nicht wieder. Nur weil mich einmal der Blitz beim Scheißen im Wald getroffen hat, so hat es doch tausend Mal vorher Spaß gemacht und ich muss deswegen nicht grundlegend mein Leben ändern. Und wenn die Uhr auf Winterzeit umgestellt wird, geht zwar die Sonne eher unter, aber nicht gleich die ganze Welt. Ich habe sogar eine Stunde länger Zeit, neues Bier zu kaufen. Es spielt auch überhaupt keine Rolle, ob ich gestern irgendetwas hätte tun können. Wichtig ist einzig und allein nur, ob ich es getan habe.
Ich hasse dieses ewig wiederkehrende Lied in meinem Kopf, weil es mich verrückt macht. Jeden Tag schießen mir hundert Momente durch den Gedankenwald, wie es zum Beispiel wäre, wenn ich ihr genau jetzt sagen würde, dass ich Lust hätte, sie zu vögeln und einen Augenblick später verfluche ich mich dafür, dass ich es tat. Was geht mir das auf die Nüsse! Das darf doch wohl nicht wahr sein. Kann denn niemals etwas perfekt sein? Muss denn immer alles im Fluss sein? Ich will mich manchmal einfach nur hinsetzen und zur Ruhe kommen, bis die Dinge so bleiben, wie sie sind und sich nichts mehr verändert. Aber nein, stattdessen rast schon wieder die nächste Katastrophe mit überhöhter Geschwindigkeit die abschüssige Kurve hinab.

Gerne würde ich einmal glauben, dass alles so seine Richtigkeit hat. Doch nur zu oft packen mich Gefühle von Zweifel und Unsicherheit. Versagensängste klopfen penetrant wie der Bofrostmann an meine Tür. Beim letzten Mal hat er mir einen überteuerten Tiefkühl- Adventskalender angedreht und mich dabei angeschaut wie Klaus Kinski. Ich konnte drei Wochen lang nur mit großem Licht schlafen und habe bei der nächsten Sitzung meine Psychologin mit einer gefrorenen Laugenstange bedroht. Erschrocken meinte sie, ich solle meine Angstwut doch einmal aufmalen. Ich schnappte mir die Farben und knallte ihr ein Happening aus Rot und Schwarz schwungvoll auf die Leinwand, so dass Pollock kleinlaut um einen Praktikumsplatz bei mir gebettelt hätte. Dabei sang ich laut Dicke von Westernhagen. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie ich ihre nackten Brüste mit bloßen Händen anmale und ihr ein Geweih auf den knackigen Arsch schmiere. Doch die alte Kuh kroch nur tiefer und tiefer in ihren Ohrensessel, blätterte in der roten Medikamentenliste und telefonierte. Als meine Musik verstummte, nahm ich mir ein Cuttermesser und schlitzte sie langsam auf. Der erste Stich durchdrang das straff gespannte Gewebe mit dem leisen Geräusch wie ein Reißverschluss, dann färbte sich die Klinge blutrot und zeichnete wie von selbst ein Satanskreuz. Ich setzte mich still davor, rauchte und betrachtete genussvoll mein Werk, bis ein Sondereinsatzkommando die Praxis stürmte und die völlig zerstörte Leinwand beschlagnahmte.

Wie lange mag das wohl her sein? Ich weiß es nicht! Vielleicht ist es auch nie geschehen, wer kann es wissen? Vergangenheit ist wie eine alte Sendung Aktenzeichen xy, unaufklärbar, ewig her und nicht mehr zu ändern. Also brauche ich mir keinen Kopf darum zu machen, was damals war oder nicht. Es reicht, wenn ich mich an meinen Namen erinnere. Zum Glück habe ich ja zwei, falls ich den einen doch einmal vergessen sollte …

Dahamwadensalat

Manchmal, da sprudelt es nur so aus mir heraus. Da kann ich meine Klappe nicht halten und erzähle von kleinen Dingen oder großen Gefühlen. Von den Mohnkörnern auf dem Brötchen oder von dem Blick durchs Schlüsselloch ins elterliche Schlafzimmer.
Dann manchmal bricht mein Rede- und Gedankenschwall plötzlich tagelang ab. Regungslos verharren die Worte in meinem Kopf und sämtliche Schreibimpulse spielen Beamten- Mikado. Mir fällt einfach nichts Neues ein, wie unserer Bundeskanzlerin.

Ich könnte saufen oder kiffen, das soll ganz gut sein, habe ich mal gehört. Aber wahrscheinlich werde ich am Hauptbahnhof schon bei dem Versuch, Schnupftabak zu kaufen, verhaftet oder bekomme für den Fuffi doch nur wieder Brühwürfel angedreht. Vor lauter Verzweiflung würde ich die sogar rauchen.

Diese Idee gefällt mir. Dann hätte ich etwas zu schreiben, wenn ich es überlebe. Am anderen Morgen könnte ich aus dem Halbjenseits berichten, wie ich dem Sensenmann ins Auge geschaut und gesagt habe: „Den Rasen hinterm Haus zuerst!“

Vielleicht aber werde ich auch einfach Mitglied bei der CDU, ich habe mich noch nicht entschieden. Ob ich nun dem Tod oder der Merkel ins Angesicht schaue, ist ja wurscht.

Waswenn

Was passiert, wenn ich eines Tages berühmt bin? Halten mir junge Frauen ihre Schlüpfer zum Unterschreiben vor die Nase? Werde ich auf der Straße von wildfremden Menschen erkannt? Muss ich meine Nummer aus dem Telefonbuch streichen lassen und meinen Namen am Briefkasten überkleben? Passt das ganze Geld, das ich dann verdiene, überhaupt noch auf mein Konto oder muss ich in die Schweiz umziehen und mir Immobilien und teure Sportwagen kaufen? Bin ich öfter als einmal pro Woche zu einer Talkshow im öffentlich- rechtlichen Fernsehen geladen oder bekomme ich sogar den Deutschen Buchpreis verliehen?
Und was, wenn das alles wirklich einmal passiert?
Lass mich Arzt, ich bin durch!

Warum ich den Rattenfänger erschoss

Ich gebe es zu: Ich habe Angst vor Flöten. Der Psychologe nennt das Aulophobie.

Wenn ich nur an Flöten denke, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Schon ein einziger Ton aus diesem löchrigen Langstock dringt mir bis ins Rückenmark und löst  einen optischen Tinnitus aus. Das fühlt sich an, als hätte man eine Flöte im Auge. Obendrein frieren temporäre Lähmungen meine Motorik ein, das ganze System fährt herunter. Da geht nix mehr mit meinen sonst so flüssigen und eleganten Bewegungskoordinationen, die sonst die Leute am Straßenrand in Staunen und Entzücken versetzt haben. Ich stake nur noch holzbeinig und hilflos wie der Bofrostmann im Tanzkurs herum.  Angst und Bange beschreiben die Reaktion der Umherstehenden jetzt besser und treffender.
Also meide ich alle Orte, an denen mir Flöten in irgendeiner auch nur erdenklichen Form begegnen könnten.

Ich mache einen großen Bogen um meine Küche, wo der Wasserkessel bedrohlich auf dem Herd darauf wartet, jeden Augenblick sein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert zu beginnen. Stattdessen hole ich mir lieber einen To- go- Kaffee an der lautesten Kreuzung der Stadt.

In die Kirche traue ich mich schon lange nicht mehr, seit in der Weihnachtszeit einmal eines dieser unsäglichen Flötenorchester aus völlig unmusikalischen Grundschulkindern im Zahnwechselalter die Empore fast zum Einsturz gebracht hätten. Ich kuschele mich stattdessen lieber wieder in meine Daunendecke und drehe mich noch einmal um.

Außerdem mache ich einen weiten Bogen um jede Musikalienhandlung und auch Einkaufsstraßen mit chilenischen Panflötisten kann ich nur mit aufgesetzten Kopfhören und Iron Maiden auf 110 dB passieren. Da bestelle ich doch alles lieber im Internet und lasse es mir dann nach Hause liefern. Und wehe die dumme Sau von Postbüttel klingelt.

Auch auf jeder Scheißlauffläche für Köter zucke ich sekündlich zusammmen, denn selbst die angeblich unhörbaren Hundepfeifen schrillen in meinen Ohren wie eine Schiffssirene. Ich sympatisiere daher eher mit Katzen, die kacken wenigstens in die Ecke.

Es gibt sogar ganze Orte, die kann ich nicht bereisen: Ferna zum Beispiel mit dem Flöte spielenden Stadtwappenengel oder die Windflöte bei Bielefeld. Nun, das ist sicher nicht weiter schade, aber ich kann auch keinem Spielmannszug in igendeiner anderen Stadt beiwohnen. Und selbst auf der Arbeit, sonst ein herrlich unmusikalischer Verein, sehe ich nur Blockflötengesichter.

Und so geschah es dann eines Tages, dass ich in Hameln den Rattenfänger während eines akuten Krankheitsschubes als mein Feindbild schlechthin auf offener Straße einfach erschoss. Es tut mir auch leid.

Was mir aber wirklich fehlt, das ist der Fußball. Ich kann nicht mehr ins Stadion gehen und schaue nur noch stumm die Sportschau. Das ist verdammt hart.
Wenn ich es mir so recht überlege, vielleicht sollte ich einfach drauf pfeifen.