Ausblick

Das Meer, hin und her, vor und zurück, tosend und brausend, ob bei Tag oder Nacht. Davor die weiten Dünenberge, grau und grün, immer wieder hoch hinaus und tief hinunter, und oben auf dem Kamm der lang ersehnte Ausblick bis zum endlosen Horizont. Die Füße im Sand, den Kopf in den Wolken, das Herz in der Hand. Die Welt, rund und groß am Tag, doch in der Nacht klein und schwarz, ein Feuer im Kamin, die gusseiserne Pfanne auf dem Herd, Seehecht mit Bratkartoffeln. Der neue Morgen, blitzblank und rein, eisenroter Weg, sonnengelber Sand und himmelblaue Welt. Mit Sand in den Schuhen und Flausen im Sinn wieder die Dünen entlang, nur ein sanftes Rauschen in den Ohren und mit dem Wind auf und davon.

Sehnsucht

Meine Sehnsucht nach Meer und salziger Luft beim Aufstieg auf den hohen Dünenberg oder aber nach Ruhe und Gelassenheit im Alltag der Gegenwärtigkeiten und erst recht nach Luft und Liebe und Jux und Dollerei und immer wieder nach Dir oder vielleicht auch ganz einfach nach Butterkuchen mit Mandeln und Sahne oder besser nach Rindsrouladen mit Senf und Gürkchen und zum Abschluss eine wunderbar krustige Crème brûlée oder letztendlich doch ein Mettbrötchen mit geschnittenen Zwiebelringen und einer kleinen Petersilienblüte aus dem Garten hinterm Haus?

Strickpullover

Eine Bank in den Dünen bietet mir Zuflucht. Der weite Blick zum Horizont gerichtet, das Rauschen des Meeres liegt vor mir. Hier und da leise Vogelrufe, der Wind blättert knisternd Seiten in meinem Schreibbuch um. Die Welt ist rund, das kann ich von hier aus sehen, wenn ich mich im Kreis drehe. In der Ferne klingeln Glocken, als grasten irgendwo in einer Senke ein paar Schafe. Schäfer müsste man sein. Den ganzen Tag auf seinen Hirtenstab gelehnt den Gedanken nachhängen. Oder Schaf. Hier ein bisschen Klee, etwas Gras, ein Stängelchen schmackhaftes Heidekraut mümmeln, im Stehen pinkeln und sonst die Natur genießen. Was für ein Leben! Zwischendurch den ollen Schäfer auf Trab bringen, in dem ich so tue, als würde ich lahmen oder mir die Hörner am Fels abstoßen. Manchmal zuckt er gar nicht, dann muss ich noch eine Schippe drauflegen oder den Bock umstoßen, wie wir unter Schafen blöken. Mit gesenktem Kopf stürme ich schnaubend auf ihn zu. Nun wird der Bärtige doch kurz etwas hektisch und huscht elegant zu Seite, weil er mich natürlich längst durchschaut hat und genau weiß, dass ich niemals wirklich ausbüxen würde, denn ich habe ein gutes Leben und wo sollte ich denn auch hin? Ich muss nicht kochen, nicht abwaschen, nicht einkaufen und beim Rasenmähen werde ich sogar satt. Abends im Stall spielen wir noch ein oder zwei Runden Schafskopf und erzählen uns Blondinenwitze. Die wenigsten Wiederkäuer haben das so gut wie wir.
Und es wäre auch heute noch schön, wenn ich nicht eines Tages diese wilde Heidschnucke getroffen hätte. Sie hatte es irgendwie geschafft, oder sie war abenteuerlustiger als ich, sich davonzuschleichen, ohne dass ihre Herde oder der zottelige Schäferhund Alarm schlug. Nun stand sie plötzlich mitten im Schatten unter meinem Lieblingsbaum, als ich gerade ein Nickerchen halten wollte. Sofort wusste ich, das gibt Ärger. Sie sah nicht nur unverschämt gut aus, hatte blonde Locken und so, sondern sie verdrehte mir mit ihrem süßen Akzent auch gleich die Ohren. Als ältester und schlauster Bock hatte ich bis dahin das Sagen in unserer Herde und keiner wagte es, das in Frage zu stellen. Doch Schnucki, wie ich sie nannte, machte mich lammfromm. Ich pflückte für sie die leckersten Kräuter und fand für sie das frischeste Wasser. Alsbald verspotteten mich die Kollegen und gaben mir den Spitznamen »Shaun, das wars« oder, als wäre das noch nicht schlimm genug: »Shaun Connery«. Da aber war ich ihr längst verfallen und überlegte ernsthaft, Geheimagent zu werden oder mit ihr nach Neuseeland auszuwandern. Irgendwohin, wo es keine Schäfer und keine Schafe gibt. Ich bin ja nicht blöd.