Ausblick

Das Meer, hin und her, vor und zurück, tosend und brausend, ob bei Tag oder Nacht. Davor die weiten Dünenberge, grau und grün, immer wieder hoch hinaus und tief hinunter, und oben auf dem Kamm der lang ersehnte Ausblick bis zum endlosen Horizont. Die Füße im Sand, den Kopf in den Wolken, das Herz in der Hand. Die Welt, rund und groß am Tag, doch in der Nacht klein und schwarz, ein Feuer im Kamin, die gusseiserne Pfanne auf dem Herd, Seehecht mit Bratkartoffeln. Der neue Morgen, blitzblank und rein, eisenroter Weg, sonnengelber Sand und himmelblaue Welt. Mit Sand in den Schuhen und Flausen im Sinn wieder die Dünen entlang, nur ein sanftes Rauschen in den Ohren und mit dem Wind auf und davon.

Wortraumbett

Der Regen drückt schwer gegen den Schirm. Die Nässe steigt die Beine empor, der Sturm schleudert die kalte Gischt hinauf, Meerschaumlawinen schieben sich gepeitscht über den Strand. Das Gesicht tief unter der Kapuze begraben, kaum wagend mit offenem Mund in den Wind zu gucken. Schwere Schritte knirschen im Sand wie brechendes Eis.
Irgendwo brennt sicher ein Kamin für mich.

Auge um Auge

Es ist mein letzter Wurf.
Danach ist das Spiel aus. Aus und vorbei. Es gibt keine Verlängerung, kein Rückspiel. Es gibt nur diesen einen Wurf.
Ich stehe an der Abwurflinie, gehe in die Knie, wiege die schwere Kugel in der Hand, streiche den Sand herunter, versuche die Entfernung abzuschätzen, den Winkel zu treffen und das Spiel mit diesem letzten Wurf herumzureißen. Alles oder nichts. Ich hole vorsichtig Schwung, pendele den Arm vor und zurück, halte inne, stocke, zögere, schaue noch einmal.
Der kleine Holzball liegt etwa fünf Meter von mir entfernt, verdeckt durch zwei andere Spielkugeln.

Es ist mein letzter Wurf.

Er entscheidet, ob ich dem Teufel meine Seele geben muss. Ich weiß, dass mich jetzt nur ein göttlicher Treffer retten kann, um seine beiden Kugeln wegzustoßen und meine eigene am nächsten an die Holzkugel zu platzieren. Doch mit Gott war ich noch nie per du.
Trotzdem murmele ich ein Gebet vor mich hin: „Komm, Herr Jesus, sei unser Gast“, und schaue dem Teufel dabei tief in seine rotorange glühenden Augen. Doch anstatt meine Kugel wohlüberlegt in Richtung der anderen zu werfen, hole ich weit von unten nach oben aus. In dem Moment, als meine Hand schnurstracks zum Himmel zeigt, sage ich: „Amen.“
„Ich sehe nichts!“, zischt der Teufel wütend und blinzelt gegen das gleißende Licht der Sonne.
Schnell trete ich einige Schritte nach vorne, „von hier kannst du besser gucken!“, behaupte ich und winke ihn zu mir.
Widerwillig folgt er meiner Aufforderung, ohne seinen Blick vom Himmel abzuwenden. Unbemerkt lasse ich die Kugel aus meiner anderen Hand plumpsen. Sie schubst seine beiden mit einem leisen Klonk zur Seite.
„Oah, jetzt hast du sie verpasst“, stöhne ich, buffe ihn in die Rippen und zeige zu Boden. „Das, das …“, stottert er irritiert und glotzt mich an, als wäre er eben dem Schöpfer begegnet.

„Hüte dich“, blaffe ich ihn harsch an und hebe meinen Zeigefinger, „du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“

„Revanche?“, fragt er kleinlaut und ich nicke.

Simsalabim

Da sitze ich nun in meinem kurzen Hemd, ohne Besteck, um die Suppe wieder auszulöffeln. Das geht niemals gut! Wie soll das funktionieren? Das passt ja gar nicht zusammen! Mannomann, hätte ich das bloß eher gewusst! Doch Hättich ist ein anderer Vogel als Habicht. Und sowas kommt von sowas. Die Wahrheit ist: Ich habe es auch nicht verhindert.
Manchmal wünschte ich, ich könnte einfach sagen: »Simsalabim, Sesam öffne dich!«, und schon würde sich knarzend ein großes Tor vor mir auftun. Helles, glitzerndes Licht umhüllt mich augenblicklich, süße Düfte kitzeln meine Gaumenhöhle und zauberhafte Klänge locken mich, einzutreten. In ein Land, das für jeden etwas anders ist, für mich aber vor allen Dingen: ein Strandkorb, der weite Blick aufs Meer, ein Horizont, der nicht näher rückt und eine Ruhe, die das Wattknistern erst hörbar macht.
Ohne zu zögern gehe ich hindurch und spüre sofort den Sand unter meinen Füßen. Ich sauge sie salzige Luft ein, blinzele gegen die satte Sonne. Dann lasse ich mich fallen wie der Jever-Mann und weiß, dass ich angekommen bin.

Durchenwind

Manchmal weht er mir frontal ins Gesicht, zerzaust mir meine Frisur und ich sehe aus wie mit dem Laubbläser geküsst.
Manchmal wartet er hinter einer Ecke, und sobald ich auch nur einen Schritt nach vorne mache, packt er meinen Schirm und krempelt ihn um.
Manchmal sitzt er hinterlistig im Strandkorb, bläst mir Sand in die Augen und paniert gierig meinen eingecremten Bauch.
Manchmal schleicht er über eine Frühlingswiese, lässt kleine bunte Pollendrachen steigen oder tanzt mit den Halmen.
Und wenn ich manchmal ganz durchenwind bin, dann fange ich ihn in einer Tüte und lass ihn nicht mehr raus. Da kann er machen wassawill.

Sturm in der Brandung

Der Jever- Mann
Ich gehe noch einmal in den Garten hinaus, hinten zum Stall und schaue hinein. Aber Klopf ist nirgends zu sehen. Vorsichtig hebe ich das Holzhäuschen hoch und schiebe das Stroh ein wenig zur Seite. Glück gehabt, er ist auch diesmal in seinem Lieblingsversteck. Schnell stopfe ich ihn in meinen Rucksack, er tut so, als merke er es gar nicht. Dann renne ich zum Auto. Papa hupt schon und fächert mit den Armen. „Wo warst du denn noch?“, will er prompt wissen. „Ich habe nur Klopf auf Wiedersehen gesagt“, flunkere ich. Schon brausen wir los.
Nach zähen und unendlichen Stunden auf der Autobahn, einem Dutzend Fünf Freunde- CDs und ebenso vielen Nutellabrötchen kommen wir endlich am Fähranleger in Rømø an. Seit vor ein paar Jahren ein Sturm einen Laster vom Sylt- Shuttle gepustet hat, fahren wir immer über Dänemark auf unsere Urlaubsinsel. Papa ist da abergläubisch, „wer einen Laster umschmeißt“, sagt er immer, „der macht auch vor einer E- Klasse nicht halt.“
Wir sind spät dran diesmal und der Kapitän trötet bereits dreimal, als Papa endlich die Tickets in der Hand hat und wir auf den Autokutter fahren können. Im Internet zu buchen ist auch nicht so seine Sache. Auf dem völlig überfüllten Deck quetschen wir uns zwischen Fahrräder und Kinderwagen auf eine hölzerne Backskiste. Der Wind pfeift uns um die Ohren und die Abendsonne lächelt müde. Dann brummen die schweren Dieselmotoren los. Das Schiff vibriert wie eine alte Waschmaschine, dunkler Rauch steigt empor, die Möwen stieben von den schiefen Birken im Fahrwasser auf und hoffen auf einen Bissen.
Ich schaue meinen Bruder an, er nickt und schon wuseln wir durch Wolfstatzen- Jacken, Fleece- Pullovern, Softshell- Westen zum Bug. Doch ausgerechnet dort feiern die Kicker vom Team Sylt lautstark das Erreichen des Achtelfinales beim Dana- Cup in Nord- Jütland mit Koffein haltigen Kaltgetränken, Fassbrause und Eistee. Kurzerhand machen wir kehrt und schlängeln uns zum Heck mit den riesigen Propellern. Wir packen unsere Toggo- Lutscher aus und spucken ins aufgeschäumte Wasser. Papa ist sitzengeblieben und muss auf unsere Sachen aufpassen.
Am Inselhafen List fallen mir die Augen zu. Ich träume von Knicklichtern, Taschenlampen, Gartenfackeln und Grillen am Strand. Erst als Papa mich zudeckt und mir einen Gute- Nacht- Kuss gibt, blinzele ich ihn schlaftrunken an. „Wo sind wir?“, will ich wissen. „Da, wo der Klabautermann auf Kaperfahrt geht“, sagt er lieb. Dann schlafe ich wieder ein. Papa geht zurück ins Wohnzimmer und fällt um wie der Jever- Mann.

Faltiger Autist
Am nächsten Morgen wache ich mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Endlich kann ich mich um Klopf kümmern. Vorsichtig hole ich ihn aus meinem Rucksack und schaue ihn an. Er scheint noch zu schlafen. Manchmal denke ich, er könnte mich verstehen, wenn er mich anschaut und seinen faltigen Hals reckt. Dann erzähle ich ihm, wie ich einmal das Feuerwehrauto von meinem Bruder im Sand verbuddelt habe, weil ich so eins auch gerne hätte. Oder wie ich Lauf, seinem Hamster, die Füßchen mit Tesafilm umwickelt habe, weil er schneller war als Klopf. Oder dass ich mir kurz vorm Einschlafen heimlich die Bettdecke in den Schlafanzug stopfe, damit ich morgens nicht nass bin. Sonst dürfte ich Klopf nicht behalten, hat Papa gesagt. Dann nickt Klopf immer und gibt mir Recht. Er ist auch der einzige, der weiß, dass ich gerne Leuchtturmwärter werden möchte. So wie Herr Tur Tur auf Lummerland. Das muss schön sein, abends einmal die Wendeltreppe raufsteigen, die Petroleumlampe anzünden und morgens wieder löschen. Keine Nacht darf es ausbleiben, meinen fünften Geburtstag nicht, nicht Weihnachten, und nicht freitags, wenn die Schmutzfrau kommt. Ich muss immer da hoch. Mit Einbruch der Dunkelheit muss das Licht brennen. Es ist eine wichtige Aufgabe. Klopf versteht mich. Papa nennt ihn manchmal faltiger Autist. Ich weiß nicht, was das ist.
Nach dem Frühstück geht Papa mit uns in einen kleinen Laden in der Friedrichstraße. Postkarten mit Zackenrand erzählen Legenden aus Wilhelminischen Zeiten. Dutzende Stocknägel mit Strandkorbmotiven und Insel- Silhouetten reihen sich in kleinen, offenen Schächtelchen. Leuchttürme in allen Größen von der F- bis zur A- Jugend, Schneekugeln, Bernsteinfigürchen, Buddelschiffe und ganze Kutterflotten verteidigen ihre Regalwand gegen eine Korblandschaft aus plüschigen Wattwürmern, Möwen und Seehunden fernöstlicher Produktion. Papa versucht ständig, unser eigenes Taschengeld zu sparen. Wir hätten genug Spielzeug zu Hause. Aber eben keinen Riesenkraken, der Wasser spritzen kann! Dann meint er wieder, das Wellenbrett sei zu groß, das kriegten wir in keinen Koffer rein. Oder die Ritterfestung sei zu teuer, das Aufblaskrokodil zu gefährlich. Muscheln, Seesterne und Kescher hätten wir noch vom letzten Urlaub zu Hause, im Keller! Boah, ich habe echt keine Lust mehr und zeige auf mein T- Shirt. I’m the boss steht da. Das zählt nicht, erklärt Papa mir, Papa sei mehr als Chef. Dann will ich doch lieber Leuchtturmwärter werden. Oder faltiger Autist.

Wir lieben die Stürme
Der Wind kurvt mit uns im Slalom um jeden Poller, jeden Anker und jede Boje herum. Er taumelt über rot geklinkerte Wege, braust an Juckpulverbüschen, Knallerbsensträuchern und kahlen Kiefern vorbei, saust mit Schwung über eingegrabene Paletten die Dünentäler hinunter und mit uns an Papas Hand wieder hinauf. Auf dem Sandgipfel bleiben wir stehen und staunen: Groß, weit und dunkel erstreckt sich der graue Riese bis zum Horizont. Grollend wirft er seine kalten Arme ans Ufer, als sei er nie weg gewesen. Sein eisiger Atem fegt feuchte Gischt wie eine Horde aufgescheuchter Krabben beim Schulausflug vor sich her, schmeißt Standkörbe um und drückt dicke Kinder die Rutsche wieder hoch. Volleyballnetze stehen steif in der eisigen Brise wie schwer gefüllte Reusen, Klaffmuscheln graben sich tiefer in den Sand. Mein Käppi reißt sich los wie ein wild gewordenes Seeungeheuer, scheucht Thalasso- Wanderer vor sich her und sprengt eine Gruppe Qigong- Tänzer im Dünengras auseinander.
Benommen stolpern wir in die Villa Kunterbunt zum Piratentag. Laut brüllend entern wir die Welt, lotsen unser Boot durch gefährliche Untiefen und an Monster- Riffen vorbei. Wir schießen mit Korken- Kanonen auf Kokosnüsse, schruppen das Deck und pumpen Wasser aus den Kajüten. Wir überstehen die Pest und Skorbut, verlieren dabei alle Zähne und ein Bein. Wir jagen Ratten von Bord, Wale im tiefen Meer und heben auf einer einsamen Insel einen großen Schatz.
Erst bei Sonnenuntergang laufen wir wieder in unseren Hafen ein. In der Kombüse gibt es salziges Pökelfleisch und faules Wasser. Der leuchtende Zyklop blinzelt uns aufmunternd zu. Der Sturm hat sich gelegt.

Du bist nicht mehr mein Freund!
“Matschpatsch” macht es immer wieder. Ich greife mit den Händen in das trübe Wasserloch, das ich mit einem kleinen Deich vom Meer abgetrennt habe. Mit dem Plattmacher klopfe ich die Mauern fest. Auf einer Seite habe ich so viel Sand heraus gebuddelt, dass ein richtiger Berg entstanden ist. Aus beiden Fäusten lasse ich die Matschepampe von weit oben darauf fallen. Es sieht aus, als hätte ein ganzer Möwenschwarm nur auf diesen einen Fleck geschissen und ich sehe aus wie ein paniertes Schnitzel. Ich weiß schon selbst nicht mehr, ob ich überhaupt eine Badehose anhabe.
Ich beauftrage meinen Bruder aufzupassen, so lange ich Muscheln suche. Aber der Stinkstiefel will meinen Kescher dafür haben. „Ich bin nicht mehr dein Freund“, brülle ich, trampele meine Burg selbst kaputt und marschiere los. Papa hat mir erklärt, dass da, wo viel kleines schwarzes Holz an den Strand gespült wird, ich auch Bernsteine und Haifischzähne finden kann. In meinen Eimer sammle ich Krebspanzer, Seesterne und kräftige Herzmuscheln zum Kämpfen, er ist bald randvoll. Ich schmeiße tote Quallen zurück ins Wasser und laufe weiter. Endlich habe ich eine Stelle gefunden. Erst bohre ich mit dem Bockermann in dem Prütt herum, dann schiebe ich ihn mit dem ganzen Fuß hin und her. Schließlich lasse ich mich auf die Knie fallen und siebe mit den Händen. Alles, was gelb oder honigfarben ist, lecke ich ab. Harz schmeckt man doch! Ich finde ein altes Gummibärchen, eine geschliffene Glasscherbe und einen Feuerstein, sogar ein noch eingepacktes Campino- Bonbon. Es ist weich und salzig. Plötzlich scheucht mich eine große Welle auf und schmeißt meinen Eimer um. Erschrocken greife ich nach dem Henkel. Meine Schätze flüchten dabei mit dem rückfließenden Wasser: Bernsteine so groß wie Kiesel und Haifischzähne so scharf wie Säbel! Mein Bruder wird staunen.

PS: Es handelt es sich hierbei um ältere, überarbeitete Beiträge, sozusagen alter Wein in neuen Schläuchen.

Sandkastenliebe

Der Sand war kalt und feucht, kleine Pfützen hatten sich bereits darin gebildet. Es donnerte und der Regen zog in den Krieg. Dicke Tropfen bombardierten meine Burg, zerschlugen die Wehrmauern und brachten den Turm zum Einsturz. Aus den Pfützen wurden Seen, die reißend über die Ufer traten und Freund und Feind mit sich rissen. Schnell nahm ich meine Schaufel und zog einen tiefen Graben um die Ruine, in dessen Kerkern die Gefangenen und Gefolterten wie Ratten ersoffen. Mit dem Matsch, den ich aushob, baute ich hastig einen riesigen Wall um meine Füße, denn das brackige Wasser verschwand schon gluckernd in meinen Gummistiefeln. Ich kniff die Zehen immer wieder zusammen und pumpte kleine Fontänen empor, die nach meiner hochgekrempelten Jeans griffen und dort leichten Halt fanden. Mit steifen Händen hielt ich die Schaufel, eisig tropfte es aus meinen Haaren und lief mir schaurig in den Nacken. Böse blickte ich zum Himmel, der grollend zurück schoss.
Nein, ich durfte jetzt nicht aufgeben. Ich hatte drei Tage an dieser Burg gebaut und heute Nachmittag kam sie das erste Mal zu mir, die Katja aus der 2b. Süß wie ein Fruchtgummi war sie und wohnte neu in unserem Haus.

Strebergarten

Fortsetzung von Freu Dich nicht zu spät! (Kapitel 1) und Abstelltraum (Kapitel 2)

Ich stehe auf und gehe am versteinerten Murat vorbei. Entschlossen schnappe ich mir die herum liegenden Bierflaschen, sammle sie in den Kasten zurück und stelle ihn dem kleinen Muck genau vor die Füße. „Musste das sein?“, frage ich ihn, „du weißt genau, dass heute Eröffnung ist!“ Murat starrt weiter in den hohlen Raum, ein bisschen Sand rieselt ihm aus den Haaren und lässt mich vermuten, dass er noch nicht ganz mumifiziert ist. „Wie siehst du überhaupt aus?“ „Also, ich, äh …, du hast …“, stammelt er sich in den Schnauz. „Ach, red jetzt keine Opern, hilf mir mal, ich krieg das Fass hier nicht auf. Bin mal gespannt, was ich da günstig ersteigert habe!“ Wortlos überreicht mir Murat die Spitzhacke. Mit einem einzigen gezielten Hieb schlage ich den Deckel ab. „O’zapft is!“, verkünde ich stolz, klettere über das Splitterholz und linse in den Container. „Ich glaub’s nicht“, rufe ich, „Murat, komm her, das musst du dir unbedingt anschauen!“ Unsicher stolpert er zu mir, den Kopf dreht er dabei nach hinten, als könne jeden Augenblick ein Flaschengeist erscheinen und ihn zur ewigen Knechtschaft zwingen.
Plötzlich steigt süßlicher Rauch empor und wirbelt immer schneller durch unser Lager. Zitternd stehen wir da, helle Lichtpunkte sausen wie Schneeflocken im Sturm auf uns zu. Murat weicht erschrocken zurück, ich greife nach dem Klappspaten und halte ihn abwehrend vor das Gesicht. Die Wucht des Tornados reißt ihn mir aus den Händen, scheppernd fliegt er durch den Laden und schlägt das große Schaufenster ein. Dumpf höre ich Murat hinter mir kreischen und drehe mich erschrocken um. Er schwebt in der offenen Tür und strampelt verzweifelt, die Füße etwa 50 cm über dem Boden. Ich will ihm zu Hilfe eilen, als mich mit einem Ruck der rasende Nebel packt, in die Höhe reißt, im Kreis herum schleudert und mit einem Drei- Punkte- Wurf gekonnt in das enge Fass einnetzt. Mit einem lauten Rums schlägt der Deckel über mir zu und verdunkelt die Welt. Minuten lang geschieht nichts, ich höre nur meinen eigenen Atmen von den Holzwänden widerhallen, die Luft ist schwül und stickig. Schließlich schiebt sich Totenstille zwischen die Ritzen.

„Schneller, die Oase ist nicht mehr weit“, schreit er mir ins Ohr. Ich blicke stumm auf. Die Wüste flimmert wie die A2 im Gegenlicht vor den Kühltürmen des Kohlekraftwerks. Müde und schwer setze ich einen Fuß vor den nächsten. Dann endlich keimen die ersten Palmenblätter am Horizont. Vor Aufregung stolpere ich eine Senke hinunter. Die kühle Hoffnung rollt sich zusammen wie eine Leinwand am Ende des Dia-Abends. „Nein“, stammele ich und sinke auf die Knie. Mit beiden Händen greife ich in den glühenden Sand und schmeiße ihn in die Luft. Ich kneife die Augen zusammen und ziehe die Schultern hoch, als er wie ein Meteoritenschauer auf mich herunter prasselt. Zornig schüttele ich mir den Kies aus den Haaren. Mein kleiner Mann ruft wieder: „Los, raff dich auf! Du schaffst es!“ Ich will ihn ignorieren. Zu oft hat er mich schon falsch beraten. Wie damals, als er meinte, ich solle mich zu diesem Kurs anmelden „Männer kochen anders“ und ich mich in einem Anti- Aggressionstraining für Akademiker wiederfand. Nur verhärmte Sozialarbeiter und Geschichtslehrer in Cordhosen. Das war vielleicht ein Reinfall. Ein anderes Mal drängte er mich zu einem Niederländisch- Sprachkurs und dann war ich im Urlaub doch wieder im Harz. Aber diesmal hat er wahrscheinlich Recht. Hier Burgen zu bauen, rettet mich nicht. Matt rappele ich mich wieder hoch. Ich blinzele in die Sonne, die erbarmungslos meinen Liquor zum Kochen bringt. Jeder Schritt gleicht dem stechenden Schmerz einer Spinalanästhesie. Mühsam schleppe ich mich durch die Senke und schon auf halben Weg höre ich das muntere Feilschen der Kamelhändler. Dann endlich tauchen Zelte aus dem Gekrümel auf und es riecht nach Bratapfel mit Zimt. „Vorsicht“, tönt es hohl in meinem Kopf. „Ruhe!“, murmele ich, „ich entscheide!“ Mit letzter Kraft krieche ich an toten Schädeln im Wüstensand vorbei bis zum ersehnten Wasserloch. Gierig stecke ich meinen Schlund hinein, in großen Schlucken saufe ich das trübe Nass. Trunken falle ich auf den Rücken, schließe die Augen und denke an die kühlen Tannen im Harz. An den trüben Sommer und die verregneten Tage in der muffigen Pension. Die alten Holzstufen knatschten und führten zu meinem kleinen und dunklen Zimmer im ersten Stock, unten wohnte die Vermieterin. Das Bad war auf dem Flur, kalt und moosgrün, wie das Wasser dieses Tümpels. Das Metallrost des Bettes quietschte bei jeder Bewegung. Der Hirsch röhrte im Dickicht und unterhielt sich mit seinem gemalten Kollegen über dem winzigen Tisch mit der Häkeldecke und den Trockenblumen im bröseligen Steckgrün. Morgens stellte die alte Hexe das Frühstück schon um 6.30 Uhr vor die Tür. Auf dem Weg zur Toilette trat ich in der ersten Nacht in die Teewurst auf dem Goldrandteller. Fluchend und humpelnd hüpfte ich über den roten Sisalläufer zum Ende des Ganges, um dann festzustellen, dass Mütterlein Gicht das Bad verschlossen hatte. Ich griff erleichternd zu der Teekanne des Herrn von Zimmer 7, als mich ein Teppichklopfer streifte.
In diesem Augenblick tritt mir ein Beduine in die Seite und zeigt grinsend seine schwarze Zahnpracht. Ich zucke zusammen, schlage die Augen wieder auf und setze mich. „Ich habe dich gewarnt“, ruft da mein kleiner Begleiter wieder, „das hast du jetzt davon.“ „Ach, halt’s Maul“, sage ich zu ihm, „Du hast mir die Suppe mit dieser Karawane doch überhaupt erst eingebrockt! Bleib doch hier, wenn du willst.“ Dann stehe ich auf und gehe auf das größte Zelt zu. Ich schiebe den schweren Baumwollstoff zur Seite und trete ein. Das Einkaufsparadies von Teppich Kibek eröffnet sich mir in seiner ganzen Pracht. Der Garten Eden des Vorwerkmannes, die Welttournee seines Kobolds, das Eldorado der Milbenallergiker. Und ich mittendrin. Der Beduine von Loch Ness betritt das Zelt. „Willst du kaufen schöne Kelim?“, fragt er. „Wie alt ist sie denn?“, frage ich zurück. „Was wie alt?“ „Die Kelim!“ „Kelim ist ganz neu! Guckst du hier“, sagt er und geht zu einem Haufen Vorleger, blättert darin herum und zupft von unten eine Katzendecke hervor. Kritisch reibe ich den Stoff zwischen Daumen und Zeigefinger. „Die kratzt ja“, sage ich, „hast du nicht etwas anderes?“ und gehe auf einen Stapel zu, den er mir bewusst nicht gezeigt hat. „Was ist denn mit dem da?“, will ich wissen und zeige auf einen alten Fetzen, der aussieht, als habe Ali Baba darauf an einem Stück die Sahara und alle arabischen Wüsten durchritten. Entgeistert guckt er mich an. „Das ist ganz besondere Teppich“, stammelt er. „Ich weiß“, entgegne ich, „aber genau den will ich! Den und keinen anderen! Was kostet er?“ „Du willst wirklich habe fliegende Teppich?“, fragt er noch einmal. „Ja.“ „Dann du musst mir gebe kleine Mann von deine Schulter!“ „Meinen Dschinn? Niemals!“, entrüste ich mich. Er geht einen Schritt auf mich zu, „gib!“ zischt er. Zögerlich fasse ich meinen kleinen Begleiter am Rockzipfel, er tanzt und tobt wie Daniel Küblböck in der ersten Staffel von DSDS. Ich greife fester zu und halte ihn am ausgestreckten Arm dem Zeltgesicht entgegen. Er will eben zupacken, da schnellt meine Hand mit dem Superstar zurück. „Und noch genügend Wasser für zwei, nein, für drei Tage dazu!“, pokere ich. Finster gucke ich in seine gierigen Augen. „Du bist schlimmer als wie meine Brüder“, knurrt er, schlägt dann aber doch ein. Schnell ruft er zwei Schergen hinein, die draußen den Teppich und den Kaktussaft bereit stellen sollen. Er selbst stopft den Dschinn in ein altes Holzfass und nagelt den Deckel zu. Dann schlägt er seinen Kaftan über den Arm und weist mir den Weg mit einer eleganten, fast Hesterschen Geste hinaus. Dort liegt mein Teppich plan im Streugut, mitten drauf glänzen drei pralle Bocksbeutel ledern in der Sonne. Die vermummten Gebrauchtwagenverkäufer stehen feixend und johlend drum herum, Schwielensohler schieben spöttisch ihre Kiefer vor und zurück. Ich bahne mir einen Weg hindurch, setze mich auf den zerschlissenen Fußabtreter und durchkämme mit beiden Händen akribisch den dünnen Flor. Hohn prasselt auf mich nieder wie Reis auf das vermeintlich glückliche Brautpaar. Nach endlosen Minuten ertasten meine Finger das, wonach ich suchte. Ich richte mich auf und mit einem Ruck ziehe ich einen goldenen Faden heraus. Unter den bass erstaunten Gesichtern der Campinggemeinde im luftigen Tuch hebe ich flatternd ab. Ein unfassbarer Jubel, wie ihn nur ein deutscher Außenminister auf dem Balkon der Prager Botschaft kennt, weht zu mir empor. Hoch oben über ihrem Outlet-Store blicke ein letztes Mal zurück und sage meinem alten Dschinn Lebewohl. Ich kann bis hier hören, wie er wütend an die Wände seines Gefängnisses pocht.

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Ich tue, was ich machen kann

Manchmal weiß ich nicht, was ich noch machen soll. Ich tue schon mein bestes, aber das reicht bisweilen einfach nicht. Ach, wie soll ich das erklären?! Also, es gibt Arbeit und es gibt Freizeit. Beide unterscheiden sich in vielen Punkten von einander. Arbeit hält mich von meiner Freizeit ab. Arbeit ist ein ewig gleicher Trott, ein Murmeltiertag, eine Zeitschleife, in der nichts anderes passiert, als die vergangenen Jahre auch. Hochgerechnet schon tausendsechshundert Mal bin ich den selben verschissenen Weg zum Büro schon gefahren. Baustellen im frühen Planfeststellungsverfahren bremsen mich auf die Geschwindigkeit einer Wanderdüne herab. Seit der Mondlandung soll dieser Teil der Autobahn ausgebaut werden. Eine greise Fledermaus und zwei Grottenolme haben hier bisher erfolgreich verhindert, was in Stuttgart nicht gelingt. Auf der Einfädelspur zieht feixend ein Gurkenlaster an mir vorbei und drängelt sich vor mich. Ich schlage aufs Lenkrad, hupe gestikulierend und quetsche mich ohne zu blinken auf den verengten Fahrstreifen zwischen schwarze Limousinen mit LED- Tagfahrlicht und silbernen Buchstaben-Nummern-Koordinaten auf dem Heck. Im zähen Stop and Go geht es voran, Küblböck hat mir immer ein paar Meter voraus. Dann muss ich abfahren. Auf der Abbiegespur gebe ich Gas, versuche noch gleichzuziehen und dem Bazi den längsten Finger zu zeigen, als ich abrupt abbremsen muss, weil ein Bofrostlaster ausschert. Nur Idioten auf der Straße und bei der Arbeit geht es mit Idioten weiter. Lauter Verrückte, ohne Lust und Motivation. Dummheit hat mehr Doppelkonsonanten als sie IQ besitzen und Diät mehr Vokale als ihr BMI beträgt! Aber Schuld haben immer die anderen! Wie mir das Gejammer aus den Ohren heraus hängt!

In meiner Freizeit denke ich so etwas nicht. Da möchte ich den warmen Wind hauchen spüren, das Meer rauschen hören und die salzige Luft schmecken. Ich möchte in das Backfischbrötchen beißen und mir das T-Shirt mit Remoulade bekleckern. Da möchte ich in Weidenkörben nach Muscheln kramen, mir einen Kescher kaufen und schwarze Möwen vor der Sonne zählen. Ich ziehe mir die Schuhe aus und laufe barfuß am Strand entlang und springe über Wellen. Und erst, wenn die Nacht von unten durch den Horizont bricht, falle ich mit Sand in den Haaren und schmutzigen Füßen ins Bett.

So weit das Auge reist

(überarbeitete Fassung)

»Schneller, die Oase ist nicht mehr weit«, schreit er mir ins Ohr.
Ich blicke stumm auf. Die Wüste flimmert wie die A2 im Gegenlicht vor den Kühltürmen des Kohlekraftwerks. Müde und schwer setze ich einen Fuß vor den nächsten. Dann endlich keimen die ersten Palmenblätter am Horizont. Vor Aufregung stolpere ich eine Senke hinunter. Doch die kühle Hoffnung rollt sich auf wie eine Leinwand am Ende des Dia-Abends.
»Nein«, stammele ich und sinke auf die Knie.
Mit beiden Händen greife ich in den glühenden Sand und schmeiße ihn in die Luft. Ich kneife die Augen zusammen und ziehe die Schultern hoch, als er wie ein Meteoritenschauer auf mich herunterprasselt. Zornig schüttele ich mir den Kies aus den Haaren.
Mein kleiner Mann ruft wieder: »Los, raff dich auf! Du schaffst es!«
Ich will ihn ignorieren. Zu oft hat er mich schon falsch beraten. Wie damals, als er meinte, ich solle mich zu dem Kurs anmelden »Männer kochen anders« und ich mich in einem Anti-Aggressionstraining für Akademiker wiederfand. Nur verhärmte Sozialarbeiter und Referendare in Latzhosen. Das war vielleicht ein Reinfall.
Das nächste Mal drängte er mich zu einem Niederländisch-Sprachkurs und dann war ich im Urlaub doch im Harz.
Aber diesmal hat er wahrscheinlich Recht. Hier Burgen zu bauen, rettet mich nicht. Matt rappele ich mich hoch und blinzele in die Sonne, die erbarmungslos meinen Liquor zum Sieden bringt. Jeder Schritt gleicht dem stechenden Schmerz einer Spinalanästhesie.
Mühsam schleppe ich mich durch die Senke und bereits auf halben Weg höre ich das muntere Feilschen der Kamelhändler. Endlich tauchen Zelte aus dem Gekrümel auf und es riecht nach Bratapfel mit Zimt.
»Vorsicht«, tönt es hohl aus meiner Gedankenlaube.
»Ruhe!«, murmele ich, »ich weiß schon, was ich tue!«
Mit letzter Kraft krieche ich an toten Schädeln im Wüstensand vorbei bis zum ersehnten Wasserloch. Durstig stecke ich meinen Schlund hinein und saufe in großen Schlucken das trübe Nass.
In diesem Moment tritt mir ein Beduine in die Rippen und zeigt grinsend seine schwarze Zahnpracht. Ich zucke zusammen und setze mich auf.
»Ich habe dich gewarnt«, ruft da mein kleiner Begleiter wieder, »das hast du jetzt davon.«
»Ach, halt‘s Maul«, sage ich zu ihm, »du hast mir die Suppe mit dieser Karawane überhaupt erst eingebrockt! Bleib doch hier, wenn du bange bist.«
Dann stehe ich auf und gehe auf das größte Tipi zu. Ich schiebe den schweren Baumwollstoff zur Seite und trete ein. Das Einkaufsparadies von Teppich Kibek eröffnet sich mir in all seiner Pracht. Der Garten Eden des Vorwerkmannes, die Welttournee seines Kobolds, das Eldorado der Milbenallergiker. Und ich mittendrin. Der Beduine von Loch Ness betritt das Zelt.
»Willst du kaufen schöne Kelim?«, fragt er.
»Wie alt ist sie denn?«, frage ich zurück.
»Was wie alt?«
»Die Kelim!«
»Kelim ist ganz neu! Guckst du hier«, sagt er und geht zu einem Haufen Vorleger, blättert darin herum und zupft von unten eine Katzendecke hervor.
Kritisch reibe ich den Stoff zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Die kratzt ja«, sage ich, »hast du nichts Besseres?« und gehe auf einen Stapel zu, den er mir bewusst nicht gezeigt hat.
»Was ist mit dem da?«, will ich wissen und zeige auf einen alten Fetzen, der aussieht, als habe Ali Baba darauf an einem Stück die Sahara und alle arabischen Wüsten durchritten.
Entgeistert guckt er mich an, »das ist ganz besondere Teppich«, stammelt er.
»Ich weiß«, entgegne ich, »aber genau den will ich! Den und keinen anderen! Was kostet er?«
»Du willst wirklich habe fliegende Teppich?«, fragt er noch einmal.
»Ja.«
»Dann du musst mir gebe kleine Mann von deine Schulter!«
»Meinen Dschinn? Niemals!«, entrüste ich mich
Er geht einen Schritt auf mich zu, »gib!« zischt er.
Zögerlich fasse ich meinen Begleiter am Rockzipfel, er tanzt und tobt wie Daniel Küblböck in der ersten Staffel von DSDS. Ich greife fester zu und halte ihn am ausgestreckten Arm dem Zeltgesicht entgegen. Er will eben zupacken, da schnellt meine Hand mit dem Superstar zurück.
»Und genügend Wasser für drei, nein, für vier Tage dazu!«, pokere ich und gucke finster in seine gierigen Augen.
»Du bist schlimmer als wie meine Brüder«, knurrt er, willigt aber doch ein.
Schnell ruft er zwei Schergen hinein, die draußen den Filzvorleger und den Kaktussaft bereitstellen sollen. Er selbst stopft den Dschinn in ein altes Holzfass und nagelt den Deckel zu. Dann schlägt er seinen Kaftan über den Arm und weist mir den Weg mit einer eleganten, fast hesterschen Geste hinaus. Dort liegt mein Teppich plan im Streugut, mitten drauf glänzen vier pralle Bocksbeutel ledern in der Sonne.
Die vermummten Gebrauchtwagenverkäufer stehen feixend und johlend drum herum, Schwielensohler schieben spöttisch ihre Kiefer vor und zurück. Ich bahne mir einen Weg hindurch, setze mich auf den zerschlissenen Fußabtreter und durchkämme mit beiden Händen akribisch den dünnen Flor. Hohn prasselt auf mich nieder wie Reis auf das vermeintlich glückliche Brautpaar. Nach scheinbaren Ewigkeiten ertasten meine Finger das, wonach sie suchten. Ich richte mich auf und ziehe ruckartig einen goldenen Faden heraus. Unter den bass erstaunten Gesichtern der Campinggemeinde im luftigen Tuch hebe ich flatternd ab. Ein unfassbarer Jubel, wie ihn sonst nur die nackten Jungs von Tokio Hotel beim Girls Day kennen, weht zu mir empor. Hoch oben über ihrem Outletstore blicke ein letztes Mal zurück und sage meinem alten Dschinn Lebewohl.
Ich kann bis hier hören, wie er verzweifelt an die Wände seines Gefängnisses pocht.


(Originalfassung als Audiodatei)

Potpourri

Das wollte ich schon länger mal machen: Eine Geschichte schreiben, in der alle meine Schlagwörter („Tag-Links“, siehe am rechten Rand) mindestens einmal vorkommen. Ich probiere es mal alphabetisch!

Es ist Heiligabend. Soeben öffne ich das letzte Törchen vom Adventskalender. Was ist das denn? Ich traue meinen Augen nicht: Ein kleines Schokoladenauto. Und wer steigt grade aus? Der Bofrostmann! Wo will der denn so spät hin? Will der etwa noch Tiefkühl- Brötchen ausliefern? Wo denn? Hier in dieser unwirtlichen Gegend, mitten am Deich? Hier gehen die Eier zu Ende, die Frauen spielen Fußball und Haare wachsen am Horizont! Was in aller Welt hat der hier verloren? Leise schleiche ich ihm nach. Das gespenstische Licht des Mondes verzerrt die Schatten der Hühner im Garten von Kapitän Ahab zu einer Karawane Fleisch fressender Saurier. Plötzlich bleibt der Bofrostmann stehen und blickt sich misstrauisch um. Ich zucke zusammen. Hat er mich gesehen? Dämonisch sieht er aus, als würde er Kinder fressen. Ich fürchte um mein Leben, als er einige Schritte auf mein Versteck zugeht. Sein eisiger Atem stirbt in der klirrenden Kälte, kaum dass er sein Maul verlässt. „Ich bin ein Mann“ , denke ich, „zum Sterben ist jetzt keine Zeit!“ und laufe weg. Meine Schritte hallen in der Dunkelheit wie die Schläge des Belzebubs zum Altweiberfasching auf dem glühenden Amboss. Atemlos renne ich zum Meer. „Heiliges Murmeltier, steh mir bei“, schreie ich. Der graue Riese schmeißt unbarmherzig seine kalten Arme nach mir und spült Muscheln um meine Füße. Unsichtbare Möwen schreien durch die Nacht. Meine Nase saugt den salzigen Odem des Todes ein, in den Ohren knistert es nach zertretenem Playmobil. Das Radio in meinem Kopf spielt Julis „Woanders zu Hause“. Dann ist plötzlich Ruhe. Kognitiver Stromausfall. Unendliche Stille. Das Meer schweigt, als habe Neptun Mittagsschlaf verordnet und drohe jedem, der dieses Gesetz missachtet, mit einer Einzelstunde Eurythmie. Mit meinen Zehen presse ich den Sand in meinen Schuhen immer wieder zusammen, bis sich ein kleiner Damm darin bildet. Die Welt um mich herum ist stumm, wie in der Schule beim Englisch- Unterricht, mucksmäuschen still. Selbst die Segel eines trüben, vorüberziehenden Seelenverkäufers halten sich an das unausgesprochene Redeverbot. Ich fröstle.
Mit lautem Getöse poltert die Brandung Ruptus artig wieder los, glitschig wie Seife prescht sie mir ihre klamme Gischt ins Antlitz. Ich muss spucken und kneife die Augen zusammen. Als ich sie wieder öffne, brennt die Sonne, obwohl es eben noch stockfinster war. Bis zu den Knien eingegraben stehe ich am Strand, es ist heller Tag. Hinter mir entdecke ich eine schimmernde Tür. Das Wasser frisst gierig ihren Rahmen und drückt an die Buhnen.

Das Leben ist wie die Flut an Weihnachten“ , denke ich, „was die Welle nicht reißt, das reißt der Wichtel!“
In der Tür drehe ich mich noch einmal um und blicke ein letztes Mal zum Ende der Welt. Der Wind bläst mir ins Gesicht, das hält die Windschutzscheibe nicht.

Irgendwann ist Feierabend

Irgendwann platzt mir die Wutschnur. Dann ist einfach genug. Dann muss ich meinem Ärger Luft machen. Wenn ich nicht mehr an mir halten kann, muss es raus. So spielt das Leben. Der Frust hat sich zuvor Wochen lang seinen Weg vorbei an Galle, Magen und Leber gesucht und dabei eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Letzte Woche mussten mir in einer Notoperation alle inneren Organe entfernt werden. Jetzt ist wieder Sonntag und ich stehe mit Braunüle und dem Bofrostmann im Fanblock. Der Schiedsrichter ist wie immer eine schwarze Sau, kann Abseits nicht von Abszess unterscheiden. Der hat uns nicht erst einmal verpfiffen. Wenn ich diesen plattfüßigen Schwanenprinz schon sehe, kriege ich einen optischen Tinnitus. Das fühlt sich an wie eine Pfeife im Auge. Er ist ein Schwippschwager von Ante Šapina und Sandkastenfreund von Robert Hoyzer. Auf dem Schulhof blieb er bei der Mannschaftswahl immer als einziger übrig und musste deshalb den siffigen Tennisball nach jedem Tor aus den Dornenbüschen pflücken. Ausgerechnet diesen Hobbyarchäologen haben die grauen Herren vom DFB zum Schiri gemacht. Die wären besser auch im Sandkasten geblieben. Da hätte es wenigstens was aufs Maul gegeben.
Als der Schieber wieder einmal einen Vorteil für uns in aussichtsreicher Entfernung zum Tor abpfeift, brülle ich ihm meine ganze Wut entgegen, bis ich mein Stottertrauma überwunden habe: A- A- A- Arschloch! Die Fans in schwarz- weiß- blau nicken mir anerkennend zu und schmeißen Feuerzeuge und Pfandbecher aufs Spielfeld. Ich hebe den Daumen. Mann kennt sich. Viele stehen hier seit ihren Tanzschultagen zusammen. Die meisten waren mit der schnellen Schantall hinterm Vorhang mal auf Tuchfühlung. Ich hatte Pickel und keine Puch Maxi S, sondern ein Klapprad. Arschloch hat sie zu mir gesagt, als ich es trotzdem probiert habe. Ich habe mich dann mit Pommes-Walli getröstet, die hatte ein lahmes Bein, eine Zahnspange und eine Hercules Prima mit Prilblumen. Zu ihrem 15. Geburtstag habe ich ihr ein Yes- Törtchen mit einer roten Kerze geschenkt. Sie war so gerührt, dass sie mich rangelassen hat. Ich bin einmal um den ganzen Block gefahren. Ohne Helm. Die Jungs vor der Atari- Konsole waren neidisch und die Vorstadt- Hühner schauten mir mit offenen Mündern hinterher. Sogar Schantall. Hinterm Holunder habe ich sie dann doch rumgekriegt.

Als das 1:0 für die anderen fällt, sind grade mal fünf Minuten gespielt. Ich gehe mir ein Bier holen. Kurz vor der Halbzeitpause steht es drei Bier. Im Radio stirbt Uli Zwetz, als Hoyzer unseren Kapitän wegen eines harmlosen Tacklings in der Nachspielzeit vom Platz stellt. Mit dem Pausenpfiff bauen Hartz IV- Flüchtlinge im einsetzenden ostwestfälischen Nieselregen Gartenpavillions auf und rollen Monitore auf den Rasen. Hackfressen in dunkelblauen Moderations- Sakkos analysieren das Spiel, zeigen alle Abseits- Tore noch einmal und prophezeien den Abstieg. Der gegnerische Block skandiert passend dazu: Nie wieder zweite Liga! Meine Mannschaft kommt wie verwandelt aus der Kabine, mit noch weniger Moral und verliert den Ball schon beim Anstoß. Die Arena raunt und ächzt wie die Titanic am Unglückstag. Die ging nur schneller unter, das hier dauert schon mein Leben lang.

Als der Ball sich nach einem schnellen Konter aus Abseits verdächtiger Position doch noch in die gegnerischen Maschen senkt, hole mir ein Bier und rufe A- A- A- Arminia!

Rattenschwanz

Neulich habe ich mir einen neuen Schuhschrank gekauft. So einen schicken aus lackiertem Metall. Das ist sehr praktisch, weil ich Zettelchen von der Schulpflegschaft, dem Finanzamt oder der Altkleidersammlung vom DRK mit Magneten dranpinnen kann. An einer Klappe ist ein kleiner Griff, mit dem öffnen sich alle vier Türen dann gleichzeitig. Das ist auch sehr praktisch, weil ich so meine ganzen Schuhe sofort im Blick habe, für jede Jahreszeit ein Paar. Die Übergangsschuhe stehen darunter. Das hat System, es ist ja öfter Übergangswetter als Frühlingsanfang. Auf der obersten Klappe habe ich mit schwarzen Klebebuchstaben DRINGEND säuberlich aufgeklebt, darunter BALD, auf der dritten klebt SPÄTER und ganz unten NIE. Für die GEZ- Anmeldung oder das Jahreslos der ARD- Fernsehlotterie mit dem bettelnden Konterfei des ältesten Apotheken Umschau- Lesers aus Österreich, Frank Elstner.
Da mir der Schrank beim Öffnen aber immer entgegen kippen will, gehe ich eben in den Keller, um die Bohrmaschine zu holen. Über das Zettel Sortieren ist es schon dunkel geworden, ich will das Licht einschalten. Die Birne brutzelt ein paar Sekunden, ehe sie in der Fassung verstirbt. Scheiß Energiespardreck. Ich stolpere die letzte Stufe hinunter, reiße die Arme hoch und die Wäscheleine herunter. Das Spannbettlaken umhüllt mich, mein limbisches System schüttet vor Schmerz Endorphine aus, mir wird Tag hell vor Augen, als ich auf die Knie sinke. In dem Moment klingelt es an der Tür. Ich tapse mumifiziert nach oben und öffne. Es ist der Bofrostmann, er sieht wieder erholt aus. Ich kaufe ihm ein 2,5 Liter- Paket Fürst- Pückler- Eis ab und kühle meine Knickgelenke. Die Suppe tropft mir in die Gummistiefel, die nicht in den Schuhschrank passen und die ich deswegen im Haus anhabe. Mit dem Sand darin verdichtet sich die Dreifachcreme zu einer schnell abbindenden Masse. Freie Radikale lösen dabei eine exotherme Reaktion aus, die mich wie Pinocchio auf glühenden Kohlen steppen lässt. Ich halte mich am Schuhschrank fest. Das metallische Krachen lockt den Bofrostmann zurück, der grade meinem Nachbarn, dem pensionierten Oberstudienrat a. D. levitiertes Wasser verkauft. Er bringt mich in die Notfallambulanz. Noch in der gleichen Nacht werden mir die Stiefel amputiert, die Füße in archäologischer Puzzlearbeit entbunden und die Knie fixiert. Ich muss 14 Tage zu Hause liegen, der Bofrostmann kommt jetzt täglich.
Wenn ich wieder laufen kann, tausche ich den Schuhschrank gegen eine Magnetpinnwand um. Von dem Geld, das übrig bleibt ist, kaufe ich mir ein Jahreslos beim Grottenolm und eine neue Energiesparlampe. Und ich lade den Bofrostmann zum Eis ein. Fürst- Pückler.

Meine Perle und ich

Da liegt sie nun. Ich stehe einen Moment nackt vor dem Bett und schaue sie an. Dann gehe ich leise ins Bad. Unter der Dusche lasse ich mir das Wasser auf den zerschundenen Rücken prasseln. Ich schließe die Augen und sehe die Szenen von gestern Nacht wieder vor mir: Als ich nach der Arbeit nach Hause kam, wartete sie schon. Ich hatte Blumen mitgebracht und stellte sie auf den Küchentisch. Im ganzen Haus roch es nach frischer Farbe, die Maler konnten noch nicht lange weg sein. Es war schön, die Wohnung jetzt nach Wochen langer Renovierungsphase so zu sehen. Für alle hat das Einschränkungen bedeutet. Tagsüber waren die Handwerker da und abends waren wir einfach zu erschöpft und zu erschlagen, um noch einen Spaziergang am Meer zu machen und den Sand auf der Haut zu spüren. Ich war früher zurück als sonst. Die Sonne stand glühend am Horizont. Durch das offene Fenster konnte ich hören, wie die Wellen an den Strand schlugen und die Möwen riefen. Die Luft war noch warm und Himmel blau. Es war perfekt.
Ich nahm mir die Eis kalte Flasche Krombacher vom Kopfkissen, schmiss die Schmutzwäsche von meiner auf die andere Seite, schaltete den Fernseher ein und legte mich in voller Montur aufs Bett: Bundesliga- Rückrundenstart. Mit meiner Perle der Natur.

Ist das Kunst …?

… oder kann das weg?

  • Die Socken mit den Löchern
  • Die geköpfte Eierschale
  • Die restlichen italienischen Lire
  • Die ausgebaute Kugelschreiberfeder
  • Der Stadtplan von Ostberlin
  • Die Einladung zur Millenniums- Sylvesterparty
  • Die 5,25- Zoll- Diskette
  • Die Siegerurkunde von den Bundesjugendspielen
  • Die eigene Schultüte
  • Die Tageszeitung vom 18. Geburtstag
  • Die Hotelseife aus den Flitterwochen
  • Der Sand in den Schuhen aus Hawaii
  • Die Sonnenfinsternis- Schutzbrille
  • Der leer gegessene Adventskalender
  • Die aufgehobenen Milchzähne
  • Der Aufkleber „Abi 1986“ am Auto
  • Die abgelaufene Arminia Bielefeld- Dauerkarte (1. Liga!)
  • Der Fuchsschwanz
  • Die Kinderbrille
  • Die C9o- Cassette mit Mal Sondock’s Hitparade
  • Der Esbit- Trockenbrennstoff für die Dampfmaschine
  • Das ausgeglühte Knicklicht
  • Der ausgedrückte Zigarettenfilter nach dem ersten Mal
  • Der 2 cm lange Bleistiftstummel
  • Die Wechselkurstabelle DM – EUR
  • Die Reinhard Fendrich- Single „Es lebe der Sport“
  • Die selbstgezogene Kerze aus dem Workshop „Mit Kindern wachsen!“

Einfach zu haben

Haha, falsch gedacht! So einfach ist das nicht. Es ist manchmal viel komplizierter, als es aussieht. Zum Beispiel steckt im Mond eine kleine Lampe, die nur nachts angeht, manchmal aber auch durchbrennt. Bei der Sonne ist es fast genau anders herum, aber nur fast. Es ist schwer, das zu verstehen. Es ist leichter, das zu akzeptieren. Ich vermute mal, der Glühfaden in der Sonne ist einfach viel dicker und weniger Belastungsspitzen ausgesetzt, wie sie durchs An- und Ausschalten entstehen. Sie leuchtet ja bekanntermaßen immer, wenn nicht hier, dann genau auf der anderen Seite der Welt. Wenn man genau durch die Mitte der Erde ein langes Loch bohren könnte, könnte man sie jetzt scheinen sehen, obwohl es grade Nacht bist. Ist das nicht fantastisch? Noch einfacher wäre es, wenn die Erde transparent wäre. Die Solaranlagen auf den Dächern in meiner Reihenhaussiedlung könnten Tag und Nacht Strom und heißes Wasser produzieren und sogar noch etwas davon in die öffentlichen Versorgungsnetze speisen. Von der Vergütung dafür könnte ich mir dann Verdunkelungsrollos kaufen und mein Haus klimatisieren lassen. Ich ginge morgens im Hellen zur Arbeit und käme am Abend im Hellen zurück. Die Murmeltiere müssten Sonnenbrillen tragen, das käme der lähmenden Konjunktur zu Gute und die Grünen würden stärkste Partei in Bayern. Ich würde am Strand auch unter den Füßen braun und es gäbe bald Schuhe mit UV- Schutz. Wenn die Sonne hinter dem Horizont abtaucht, fächert sie ihr Licht wie durch ein Prisma gebrochen auf und so lange, bis sie auf der anderen Seite wieder aufgeht, überspannt ein Regenbogen den Okzident bis zum Orient. Weihnachten könnten wir die Geschenke draußen im Garten bei angenehmen 20 Grad verstecken. Das, was wir nicht wieder finden, kann bis Ostern liegen bleiben. Wir würden wieder Palmen statt Koniferen mit Christbaumkugeln und Lichterketten schmücken, ein bethlehemsches Gefühl. Darunter streuten wir künstlichen Schnee. Hühner legten nur noch braune Eier, die haben weniger Cholesterin. Zugvögel könnten sich die lange und beschwerliche Reise sparen und teilten sich fortan mit den Möwen die Sandbänke. Hase und Igel könnten schon vor dem Frühstück um die Wette laufen und der Fuchs bräuchte nicht mehr „Gute Nacht“ zu sagen. Väter oder Mütter bräuchten ihren Kindern keine Geschichte mehr zum Abend vorlesen. Der Sandmann könnte sich getrost noch einmal umdrehen. Frauen wären doppelt so oft fruchtbar und Männer hätten doppelt so oft Sex. Sie dürften schon vor 20 Uhr auf dem Sofa sitzen und „Hallo Robby“ gucken. Ein Ende der vielen Vorteile ist gar nicht abzusehen. Das ist doch ganz einfach zu haben!

Wir lieben die Stürme

Fortsetzung von Der Jever- Mann (Kapitel 1), Faltiger Autist (Kapitel 2), Du bist nicht mehr mein Freund! (Kapitel 3), Zauberpuste (Kapitel 4) und Die Augen gucken mit (Kapitel 5)

Kapitel 6 (ursprünglicher Beitrag vom 16.02.2010. Ich war so frei, ihn zu verschieben!)

„Matschpatsch“ macht es immer wieder. Ich greife mit den Händen in das trübe Wasserloch, das ich mit einem kleinen Deich vom Meer abgetrennt habe. Die Schippe habe ich gegen den Plattmacher getauscht, klopfe damit die Mauern fest. Auf einer Seite habe ich so viel Sand heraus gebuddelt, dass ein richtiger Berg entstanden ist. Aus beiden Fäusten lasse ich die Matschepampe von weit oben darauf fallen. Es sieht aus, als hätte ein ganzer Möwenschwarm nur auf diesen einen Fleck geschissen und ich sehe aus wie ein paniertes Schnitzel. Ich weiß schon selbst nicht mehr, ob ich überhaupt eine Badehose anhabe.
Ich beauftrage meinen Bruder aufzupassen, so lange ich Muscheln suche. Papa hat mir erklärt, dass da, wo viel kleines schwarzes Holz an den Strand gespült wird, ich auch Bernsteine und Haifischzähne finden kann. Ich marschiere los, sammle Krebspanzer, Seesterne und kräftige Herzmuscheln zum Kämpfen. Mein Eimer ist bald randvoll. Ich schmeiße tote Quallen zurück ins Meer und laufe weiter. Endlich habe ich eine Stelle gefunden. Erst bohre ich mit dem Bockermann in dem Prütt herum, dann schiebe ich ihn mit dem ganzen Fuß hin und her. Schließlich lasse ich mich auf die Knie fallen und siebe mit den Händen. Alles, was gelb oder honigfarben ist, lecke ich ab. Harz schmeckt man doch! Ich finde ein altes Gummibärchen, eine geschliffene Glasscherbe und einen Feuerstein, sogar ein noch eingepacktes Campino- Bonbon. Es ist weich und salzig. Plötzlich scheucht mich eine große Welle auf und schmeißt meinen Eimer um. Erschrocken greife ich nach dem Henkel. Meine Schätze flüchten dabei mit dem rückfließenden Wasser: Bernsteine so groß wie Kiesel und Haifischzähne so scharf wie Säbel!

ENDE